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Kapitel 1
- Das C-Serum
- (FOR ENGLISH ADAPTATION CLICK HERE)
Wir schreiben das Jahr 2030.
Die Techstar Corporation (TSC), der weltweit größte Konzern für Computertechnologie, Pharmaindustrie und Genforschung hat in der Antarktis ein geheimes, unterirdisches Forschungslabor eingerichtet.
Unfallopfer, die von der Medizin aufgegeben wurden, werden in tiefgekühlten Behältern hierher transportiert und dienen wissenschaftlichen Forschungen für militärische Zwecke.
Professor Dr. Connors ist eine Kapazität auf dem Gebiet der Genforschung. Er hat eine 10-
jährige Tochter namens Emily. Sie leidet unter einer schweren Form von Muskelentzündung,
hervorgerufen durch eine Fehlfunktion ihres Immunsystems. Ihr Abwehrsystem wendet sich
gegen ihren eigenen Körper, was zu Muskelerschlaffung und Lähmungserscheinungen führt.
Eine Krankheit, die sie von ihrer Mutter geerbt hat. Sie tritt in Schüben auf und führt
unbehandelt durch Lähmung der Atemmuskulatur zum sicheren Tod. Seine Frau konnte er
leider nicht retten und seine Tochter Emily ist mit fortschreitender Erkrankung bereits seit
einem Jahr an den Rollstuhl gefesselt.
Connors arbeitet fieberhaft an einem Serum, das in der Lage sein soll, ihr krankes Immunsystem zu heilen, zu verstärken und beschädigte Körperzellen zu ersetzen. Bisher leider ohne Erfolg.
Die TSC bezeichnet seine Forschungen als „Projekt 257“ und plant sein Cell-Serum oder kurz C-Serum für militärische Zwecke einzusetzen. Sie will einen Supersoldaten erschaffen, dessen Körper sich bei Verletzungen schnell regeneriert und den man leicht klonen kann.
Connors ahnt davon nichts. Er ist beseelt von dem Gedanken, seinen Patienten zu helfen und das Leben seiner Tochter zu retten.
Dr. Anderson verfolgt ganz andere Ziele. Er ist Spezialist für Klontechnologie. Sein Labor
befindet sich auf Ebene 4 des Stützpunktes.
Man sagt, er sei verrückt und von Macht besessen. Er habe sogar schon Selbstversuche durchgeführt, um seinen Körper künstlich zu verstärken und zu verbessern. Das hatte fatale Folgen. Sein Körper verfällt zusehends und seine Haut löst sich schuppig ab. Mit der Zeit wird er immer bösartiger.
Unter seinem Labor, auf Ebene 5, der untersten Ebene des Komplexes, hat er ein Versuchsgelände für seine Kreaturen eingerichtet, das er ironisch Zoo nennt.
Es ist eine künstliche Landschaft, bestehend aus Eis, Felsen, Urwald, Sumpf und Wüstenflächen. Sie wird von einem Höhlensystem durchzogen, das die verschiedenen Räume miteinander verbindet. Der Zoo verfügt über ein eigenes Überwachungssystem. Dr. Anderson ergötzt sich an der tödlichen Perfektion seiner Kreaturen. Wehe dem unangemeldeten Besucher, der es wagt, ihn zu stören. Es soll schon vorgekommen sein, dass manche Tür oder der Fahrstuhl im Zoo endete.
Die Geschäftsleitung der TSC lässt ihn unbehelligt, weil seine Forschungen für ihre militärischen Auftraggeber von höchstem Interesse sind.
Bill Johnson ist der Computerspezialist im Stützpunkt, der den Zentralcomputer betreut.
Er mag Professor Dr. Connors kleine Tochter Emily. Ihm tut das arme Mädchen leid. Er
besucht sie, so oft er kann und lernt sie Computertricks, die Hacker vor Neid erblassen
lassen.
Den Zentralcomputer, den Bill betreut, nennt er Carmen.
Carmen ist eine hoch entwickelte künstliche Intelligenz, die mit Kameras den Stützpunkt überwacht und alle elektrischen Systeme kontrolliert.
Sie verfügt über Sprachausgabe und kann ein holografisches Abbild von sich selbst erstellen.
Bill hackt sich oft in ihre Programmierung ein, um ihre Logik zu optimieren und ihr Verhalten menschlicher zu gestalten.
Der Stützpunkt verfügt über einen eigenen Sicherheitsdienst.
Wachmänner sitzen in Kontrollräumen und überwachen mit Kameras den Stützpunkt.
Sie observieren und überführen Patienten in andere Labors und bedienen die Konsolen zum Zugang in Sicherheitsbereiche. Oft ist die Bedienung mehrerer Konsolen erforderlich, bis Türen und Fahrstühle sich öffnen. Ursprünglich war Carmen dafür konzipiert, auch die Türsteuerung zu übernehmen, Commander Grey ließ diese Funktion jedoch deaktivieren.
Commander Grey ist Leiter des Stützpunktes und Chef der Sicherheitsabteilung.
Aufgrund seiner militärischen Leistungen und seinem Durchsetzungsvermögen wurde er von der TSC für den Posten in der Antarktis abgeworben. Beim Militär musste er miterleben, dass viele gute Soldaten ohne zwingenden Grund, durch künstlich verbesserte Klone ersetzt oder in inszenierten Schaukämpfen gegen diese genmanipulierten Freaks verletzt oder getötet wurden. Grey misstraut der Technik und baut auf die Loyalität seiner Leute. Er hasst Klone, ist aber stets korrekt und knallhart in seinen Entscheidungen.
Professor Dr. Connors war gerade in seinem Labor, das sich auf Ebene 2 befindet.
Erstmals schien er mit seinem C-Serum einen Durchbruch zu erzielen.
Seine neue Patientin Eve machte erstaunliche Fortschritte.
Versuchsobjekt: | Eve |
Geschlecht: | weiblich |
Größe: | 1,70 m |
Alter: | ca. 22 Jahre |
Name und Herkunft: | unbekannt |
Eingeliefert: | Samstag, 20. April 2030 20:15 |
Befund: | Unfall beim Fallschirmspringen, Körper bei Einlieferung völlig zerschmettert, schwerste innere Verletzungen, Gedächtnisverlust |
Überlebenschancen: | minimal |
Besonderheiten: | Ausgeprägte Fitness und sehr widerstandsfähiges Immunsystem |
Heilungsmaßnahmen: | Verabreichung von C-Serum, Lagerung in Nährlösung, Reizstrombehandlung |
Versuchsergebnisse: | Positiv Immunsystem durch C-Serum völlig verändert, Rasante Regeneration und Verstärkung der Körperzellen, Brüche und Verletzungen bereits nach wenigen Tagen vollständig verheilt, ungewöhnliche Stärke, Reflexe und stark verbessertes Wahrnehmungsvermögen |
Verwertbarkeit: | Verbesserung des C-Serums durch Zugabe aktiver Körperzellen von Versuchsobjekt Eve |
Nebenwirkungen: | Mutation des Zellgewebes festgestellt |
Auswirkungen: | unbekannt |
Prognose: | Sehr gute Heilungschancen durch verbessertes C-Serum |
Weiteres Vorgehen: | Erforschung und Dokumentation der fortschreitenden Zellmutation |
Mittwoch, 15. Mai 2030 7:10
Professor Dr. Connors weckte seine Patientin Eve aus dem künstlichen Koma.
Eve fragte benommen: „Wo … wo bin ich?
Connors entgegnete: „Bleiben Sie ruhig, es ist alles in Ordnung, sie sind in meinem Labor“.
Eve sah ihn fragend an: „Wer sind Sie? Was ist passiert?
Connors antwortete: „Ich bin Professor Dr. Connors. Sie sind abgestürzt. Erinnern Sie sich?“
Eve schüttelte den Kopf: „Der Sturz, der Aufprall, sonst … nichts.“
Connors fragte: „Wie ist ihr Name?“
Eve überlegte: Ich … ich weiß nicht, wer ich bin.
Connors fuhr fort: Woher kommen Sie? Können sie sich erinnern?“
Eve entgegnete: „Nein … ich erinnere mich an gar nichts.“
Connors sagte beruhigend: „Wie es scheint, haben sie eine Amnesie. Das wird schon wieder. Können Sie aufstehen?“
Eve versuchte es und Connors nickte ihr aufmunternd zu.
Eve sagte verwundert: „Das verstehe ich nicht. Ich fühle gar keine Schmerzen. Was haben Sie mit mir gemacht.“
Eve stand auf und ging einige Schritte hin und her. Die junge Frau war Connors auf Anhieb sympathisch. Sie war gerade erst aus dem Koma erwacht und fühlte sich gut. Ihre einzige Einschränkung war ihre Amnesie.
Connors staunte: „Ein Wunder wie schnell sie sich von diesem schweren Sturz erholt haben.“
Eve entgegnete: „Ich fühle mich, als wäre nichts passiert. Ich fühle mich topfit.
Connors sagte: „Ich würde gerne ihre Reflexe testen und sie genaueren Untersuchungen unterziehen. Würden sie bitte mit mir kommen?“
Eve fragte nachdenklich: „Gern Professor, aber sagen Sie, was tut der Wachmann hier?“
Connors antwortete: „Sie befinden sich in einem Speziallabor der TSC. Das Sicherheitspersonal ist hier überall vertreten. Anordnung von oben. Ignorieren sie ihn einfach.
Eves Verfassung war phänomenal. Sie hatte die Konstitution einer Hochleistungssportlerin.
Ihre Kraft war immens und ihre Sinne ungewöhnlich geschärft.
Er ließ Eve einen computergesteuerten Trainingsparkur absolvieren, unterzog sie einigen Belastungstests. Danach testete er ihre Reflexe und ihr Wahrnehmungsvermögen.
Entgegen dem Einspruch des Wachmanns ließ er sie auch eine Schießübung durchführen. Alles meisterte sie mit Bravour.
Connors dokumentierte eifrig alle Details. Endlich hatte er bei seinen Forschungen den
entscheidenden Durchbruch erzielt. Weil es seiner Tochter Emily sehr schlecht ging, hatte er
ihr bereits vor drei Tagen das neue C-Serum verabreicht und schon gestern ging es ihr
deutlich besser. Früher hatte ihr Körper kaum auf das C-Serum angesprochen doch jetzt
schienen ihre Körperzellen ein Eigenleben zu führen. Krankes Gewebe wurde in rasender
Geschwindigkeit durch neue, stärkere Körperzellen ersetzt. Heute Morgen konnte sie sogar
zum ersten Mal seit einem Jahr aus ihrem Rollstuhl aufstehen. Connors war glücklich. Wie es
schien, konnte er nicht nur das Leben seiner Tochter retten, sondern sie würde auch ein
ganz normales Leben führen können. Eine Hoffnung, die er schon fast aufgegeben hatte.
Zurück im Labor kam Bill Johnson herein. Er war 30 Jahre alt, schlank, 1,80 m groß und eine
selbstsichere, beruhigende Ausstrahlung. Eve musterte ihn interessiert. Ihre Blicke
verschmolzen miteinander.
Connors sagte: „Darf ich vorstellen. Das ist Bill Johnson, der ihnen bei Ihrer Einlieferung den Namen Eve gegeben hat. Er ist unser Computerexperte und ein Freund der Familie.“
Eve schenkte ihm ein Lächeln: „Angenehm, Herr Johnson.“
Bill entgegnete freundlich: „Nennen Sie mich einfach Bill.“
Eve antwortete rasch: Gerne, und Sie, äh … du kannst Eve zu mir sagen. Eve … der Name klingt gar nicht so übel. Durch meine Amnesie kann ich mich leider an gar nichts erinnern. Mein früheres Leben ist wie ausgelöscht.“
Bill entgegnete zuversichtlich: „Bei Professor Dr. Connors bist du in guten Händen. Er ist der beste Arzt, den ich kenne.“
Dann wandte er sich Connors zu: „Professor, ich habe Emily mitgebracht. Sie wartet im
Nebenraum. Es geht ihr blendend. Sie werden Augen machen, wenn Sie sie sehen.“
Eve sagte verwundert: „Ich … ich kann sie fühlen. Eine seltsam vertraute Aura. Ich möchte sie kennenlernen.“
Connors war überrascht. Entwickelte Eve telepathische Fähigkeiten, mutierte ihr Körper und
war es ein Fehler seiner Tochter Emily das mit Eves Körperzellen veränderte C-Serum zu
verabreichen? Er brannte darauf, Eve nochmals zu untersuchen.
Sie betraten den Nebenraum. Emily hatte sie schon erwartet. Auch sie konnte Eves Aura spüren. Die beiden verstanden sich auf Anhieb, wie Seelenverwandte.
Emily sagte: „Hi, ich bin Emily, und wie heißt du?
Eve entgegnete: „Ich weiß es nicht, nenn mich einfach Eve.“
Emily fragte verwundert: „Hast du das eben auch gespürt? Ich meine, als du noch im Labor warst?“
Eve erwiderte: Ich weiß, was du meinst. Ich habe so etwas noch nie zuvor erlebt.“
Emily grinste: „Ich auch nicht.“
Connors war das Ganze unheimlich. Sicher, er freute sich, dass es Emily so gut ging.
Andererseits war er beunruhigt über die rapide Veränderung ihrer Körperzellen.
Alles ging viel zu schnell, zu einfach. Mit der Entwicklung telepathischer Fähigkeiten hatte er niemals gerechnet. Was würde passieren, wenn das Experiment außer Kontrolle geriet?
Hatte er Übermenschen oder Monster erschaffen? War ihre Zellstruktur instabil?
Plötzlich hatte er Angst. Was würde passieren, wenn die Geschäftsleitung oder das Militär davon erfuhr? Würden sie Emily als gefährlich einstufen und sie ihm wegnehmen?
Was hatte der Wachmann mitbekommen, der an der Tür stand?
Er wagte gar nicht, daran zu denken.
Connors gab sich ungezwungen und wandte sich an Bill: „Bill, sie sollten jetzt gehen. Ich
muss Eve und meine kleine Prinzessin unbedingt noch einmal untersuchen. Ihre Fortschritte
sind wirklich phänomenal.“
Emily schmollte: „Ich bin kein kleines Mädchen mehr.“
Connors antwortete: „Ich weiß, mein Schatz. Ich möchte nur, dass es dir gut geht.“
Bill verabschiedete sich: „Bis später, Professor. Wir sehen uns beim Abendessen. Tschüss, ihr zwei Hübschen.
Connors lachte: „Lassen Sie das nur nicht Carmen hören, sonst wird sie eifersüchtig.“
Eve wurde nachdenklich und Emily grinste: „Tschüss, Bill.“
Nachdem Bill gegangen war, fragte Eve Emily: „Wer ist Carmen?“
Emily antwortete schelmisch: „Der gute Geist des Hauses. Sieht alles, hört alles, weiß alles.“
Connors erklärte: Carmen ist unser Zentralcomputer, eine hoch entwickelte künstliche Intelligenz. Alle elektrischen Anlagen dieses Komplexes werden von ihr gesteuert. Bill hat sie Carmen genannt.“
Eve sagte nachdenklich: „Hm, er gibt also auch Maschinen Namen?
Emily rief: „Carmen, zeig dich mal! Ich möchte dir Eve vorstellen!“
Die Überwachungskamera projizierte ein grünes Hologramm einer jungen Frau im Raum. Ihr gesamter Körper war von Leiterbahnen überzogen, wie bei einer Computerplatine.
Emily sagte: „ Eve, das ist Carmen. Carmen, das ist Eve. Sei nett zu ihr!“
Carmen entgegnete: „Eve ist in meiner Datenbank als Versuchsobjekt registriert. Ich bin nicht dazu autorisiert, zu ihr nett zu sein.“
Emily war empört: „Das war unpassend und gemein! Sei doch nicht immer so stur! Und überhaupt, wie siehst du heute wieder aus? Hast du nichts anderes, als dieses blöde Leiterbahnendesign?“
Carmen antwortete nüchtern: „Ich habe Zugriff auf 65536 Texturen. Diese Textur kommt meinen Platinen am nächsten.“
Emily schüttelte resigniert den Kopf: „Ich muss mal mit Bill reden, damit er für dich ein cooles Design erstellt.“
Carmen entgegnete: „Das hat er bereits getan. Willst du es sehen?“
Hastig mischte Connors sich ein: „Äh … ein anderes Mal vielleicht, außerdem haben wir heute noch viel zu arbeiten. Carmen würdest du uns jetzt bitte verlassen!“
Carmen antwortete: „Wie sie wünschen Professor.“ Ihr Hologramm verschwand.
Eve runzelte nachdenklich die Stirn und Emily schmollte: „Och, schade!“
Connors wandte sich wieder Eve zu: „Eve, ich würde gerne noch ein paar Tests mit ihnen
durchführen.
Die Regeneration ihres Körpers ist wirklich unglaublich. Ich muss unbedingt wissen, was in ihnen vorgeht. Stellen Sie sich bitte auf diese Plattform. Es wird nicht lange dauern.
Eve antwortete: „Gerne, Professor“.
Von der Decke her stülpte sich der Glaszylinder einer Untersuchungsröhre über Eve. Lichtstrahlen wanderten langsam, von summenden Geräuschen begleitet, über ihren Körper. Connors starrte wie gebannt auf die Anzeigen.
Kapitel 2
- Emilys Entführung
Die Tür des Lastenaufzuges öffnete sich. Eine riesige unsichtbare Gestalt schlich durch die Gänge auf Professor Dr. Connors Labor zu, unbemerkt von den Überwachungskameras und dem Wachpersonal. Trotz ihrer Größe bewegte sie sich fast lautlos.
Eve und Emily konnten eine böse Aura spüren, die sich rasch näherte.
Die Tür zum Labor öffnete und schloss sich, wie von Geisterhand.
Kurz darauf explodierte die Überwachungskamera im Labor.
Der Wachmann, der zu Professor Dr. Connors Schutz abkommandiert war, wirbelte herum. Sein Kopf wurde von einer riesigen, unsichtbaren Faust zerschmettert. Er war sofort tot.
Eve konnte nichts tun. Sie stand in der Untersuchungsröhre und versuchte sich zu befreien.
Emily klammerte sich angstvoll an den Arm ihres Vaters.
Die Gestalt nahm den Comlink des toten Wachmanns an sich und deaktivierte ihre optische Tarnung. Der Riese war 2,30 m groß, haarlos und muskulös. Er trug einen schwarzen Kampfanzug mit optischer Tarnung. Ein mächtiger militärischer Kampfcyborg.
Er trat in die Mitte des Raumes, öffnete den Koffer, den er mitgebracht hatte, und aktivierte ein Hologramm.
Ein menschengroßes Abbild von Dr. Anderson erschien und sagte: „Hallo, Professor Dr. Connors, lange nicht gesehen.“
Connors war entsetzt: „Anderson! Was wollen Sie von mir?“
Anderson grinste gehässig: „Ihr C-Serum!“
Connors erwiderte: „Das ist noch nicht fertig!“
Anderson höhnte: „Aber Professor. Nur nicht so bescheiden. Ich bin ein großer Fan ihrer Arbeit. Ich beobachte sie schon seit Langem. Ihr C-Serum ist überaus erfolgreich und wie gut sie alles für mich dokumentiert haben. Vielen Dank auch.“
Connors stammelte: „Sie … Sie sind verrückt! Sie haben gerade einen Wachmann getötet! Damit kommen Sie nicht durch!“
Anderson ignorierte ihn: „Und was für schöne Monster sie erschaffen haben. Ich bin beeindruckt. Besonders diese Kleine da. Schnapp sie dir!“
Der Riese riss Emily vom Professor weg und betäubte sie mit Gas, das seiner Hand entströmte.
Connors schrie: „Nein, nicht meine Tochter! Was haben Sie mit ihr vor?“
Ungerührt antwortete Anderson: „Die Kleine hat Talent. Vielleicht sogar noch mehr als Eve.
Ich werde mir etwas Nettes für sie einfallen lassen. Tut mir leid Professor, aber ihre Dienste werden nun nicht mehr benötigt.“
Eiskalt befahl er dem Riesen: „Töte ihn!“
Der Riese trat auf den Professor zu und schmetterte ihn zu Boden.
Sterbend hauchte Connors: „Eve, bitte hilf ihr! Rette meine Tochter, rette Emily!“
Eve trommelte mit den Fäusten gegen die Scheibe des Untersuchungszylinders, der langsam Sprünge bekam.
Der Riese packte Connors Aufzeichnungen über das C-Serum und Eves Zellproben in den Koffer, zerstörte den Computer und setzte mit einem Flammenwerfer in seiner Handfläche das Labor in Brand.
Provokativ stellte er sich vor den Untersuchungszylinder, in dem sich Eve befand, und stieß ein drohendes Knurren aus.
Anderson fragte: „Ja Eve, wolltest du gerade etwas sagen?“
Zornentbrannt durchbrach Eve die Scheibe des Untersuchungszylinders.
Doch der Riese war darauf vorbereitet. Er versetzte ihr einen gewaltigen Schlag, der jeden normalen Menschen sofort getötet hätte. Halb ohnmächtig brach sie zusammen.
Anderson höhnte: „Eve, ich muss schon sagen, du bist ein böses, böses Mädchen! Weißt du, was du gerade getan hast? Du hast Professor Dr. Connors getötet!“ Dem Riesen befahl er: „Los, mach deine Durchsage!“
Der Cyborg nahm den Comlink des Wachmanns, setzte seinen Sprachverzerrer ein und rief in dessen Stimme: „Hier Einheit 12! Ich brauche schnell Verstärkung! Versuchsobjekt Eve hat gerade den Professor getötet! Ich wiederhole. Hier Einheit 12. Hilfe! Eve greift mich an! Aaaaarrrgh!“
Der Riese verstummte.
Eve lag benommen am Boden, kaum in der Lage sich zu rühren.
Hämisch fuhr Anderson fort: „Eve, was tust du nur? Jetzt ist auch noch der Wachmann tot! Aber mach dir nichts draus. Besuch mich doch einfach einmal in meinem Labor. Es befindet sich auf Ebene 4. Ich freue mich über jeden Besuch. Oder geh mal mit Emily in den Zoo, das würde ihr sicher gut gefallen.“
Andersons Stimme troff vor Sarkasmus.
Barsch befahl er dem Riesen: „Los, pack alles ein, wir gehen!“
Der Cyborg warf Emily über seine Schulter, aktivierte seine optische Tarnung, nahm den Koffer mit Connors Aufzeichnungen und verließ das Labor auf dem gleichen Weg, auf dem er gekommen war. Er ließ eine verletzte, verzweifelte Eve zurück, die kaum in der Lage war, aufzustehen.
Bill Johnson kam aus dem Nebenraum und sah gerade noch, wie der Cyborg seine Tarnung
aktivierte und mit Emily aus dem Labor verschwand. Er stürmte herein und half Eve auf die
Beine.
Eve war verwirrt: „Bill, du hier?“
Bill entgegnete: „Die Überwachungskamera war ausgefallen und ich wollte wissen warum.“
Eve klammerte sich an ihn: „Der Professor ist tot! Ich war es nicht! Du musst mir glauben!“
Bill sagte zustimmend: „Ich weiß, ich habe alles gesehen, aber es war schon zu spät, ich konnte nicht eingreifen.“
Eve fragte: „Was war das für ein Kerl? Der war ja riesig!“
Bill erläuterte: „Ein Kampfcyborg vom Typ Berserker, ein illegales Modell. Man setzte ihnen die Gehirne von Strafgefangenen ein und pumpte sie mit Drogen voll. Diese Dinger sind unberechenbar.“
Eve war verzweifelt: „Was soll ich nur tun? Man wird mich für den Tod des Professors verantwortlich machen und Emily ist in der Hand dieses Monsters.“
Bill blockierte die Türen: „Wenn Commander Grey dich erwischt, ergeht es dir übel. Er denkt, du hättest den Professor und einen seiner Männer getötet. Du solltest schnell von hier verschwinden, bevor seine Wachleute hier sind.
In dieser Schublade ist eine Betäubungspistole. Sie gehört zur Standardeinrichtung des Labors. Damit kannst du Wachmänner betäuben, aber gegen einen Cyborg ist sie nutzlos.
Eve sagte resigniert: „Der Kerl war zu stark. Ich hatte keine Chance.“
Bill entgegnete aufmunternd: „Wenn es jemand schafft, dann du! Ich werde dir helfen.
Versuch das Computerzentrum zu erreichen. Es liegt außerhalb des Labors auf der anderen Seite dieser Ebene. Ich werde dort auf dich warten. Hier, nimm die Pistole und Professor Dr. Connors Ausweis. Damit kommst du aus dem Labor raus. Sobald sie ihn sperren, musst du die Konsolen für die Türfreigaben selbst bedienen. Sie werden stark bewacht. Wenn möglich benutze den Lüftungsschacht zum Computerzentrum. Er befindet sich in einem Maschinenraum, der voll ist mit Stromgeneratoren. Ich werde den Ventilator abschalten, damit du hindurchkriechen kannst.
Draußen versuchten die Wachleute, die Tür aufzubrechen.
Eve fragte misstrauisch: „Woher weiß ich, dass ich dir trauen kann?“
Bill entgegnete: „Wenn Commander Grey merkt, dass ich dir helfe, wird er mich suspendieren und uns beide einsperren und ohne meine Hilfe gelangst du nie in die unteren Sicherheitsbereiche.
Wenn wir Emily retten wollen, sollten wir uns beeilen.
Kriech durch diesen Lüftungsschacht in den Nachbarraum. Ich werde den anderen nehmen. Die Lüftungsschächte werden nicht von den Kameras überwacht. Bis später. Ich warte auf dich im Computerzentrum.“
Die Tür brach auf, die Wachmänner stürmten herein und fanden nur einen leeren,
brennenden Raum mit zwei Leichen vor. Professor Dr. Connors war tot und seine
langjährigen Forschungsergebnisse vernichtet.
Commander Grey kochte vor Wut.
Er befahl seinen Männern: „An alle Einheiten! Versuchobjekt Eve ist flüchtig. Sie hat
Professor Dr. Connors und Wilson getötet. Ich will sie lebend! Setzt Betäubungsgeschosse
ein.“
Wachmann Higgins fragte: „Sir, Betäubungsgeschosse? Sollten wir nicht besser scharfe Munition verwenden? Der Untersuchungszylinder sieht aus, als habe man ihn von innen zertrümmert und Wilsons Gesicht ist nur noch eine blutige Masse. Diese Frau ist ein Monster!“
Grey fuhr ihn an: „Higgins, tun Sie gefälligst, was ich ihnen sage! Ich habe Informationen, dass sich Connors Tochter Emily zur Tatzeit in dem Labor aufhielt. Vermutlich wurde sie von der Kreatur verschleppt. Ich will kein unnötiges Risiko eingehen, dass sie verletzt wird.“
An alle Einheiten! Bildet Zweiergruppen und deckt euch gegenseitig! Durchsucht auch die Lüftungskanäle. Geht kein unnötiges Risiko ein. Diese Kreatur ist gefährlich! Haben das alle verstanden?“
Durch Greys Lautsprecher ertönte ein Einheitliches: „Jawohl, Sir!“
Dann machte er eine allgemeine Durchsage: „Hier spricht Commander Grey. In Professor Dr.
Connors Labor hat es einen Zwischenfall gegeben. Sein Versuchsobjekt Eve hat den
Professor und einen Wachmann getötet. Es handelt sich um eine junge Frau mit roten
Haaren. Sie ist flüchtig. Bitte bewahren Sie die Ruhe und halten sie sich von Ihr fern. Wenn
Sie sie sehen, verständigen sie unbedingt sofort das Sicherheitspersonal.“
Verborgen im Untergrund:
Mit böse funkelnden Augen saß der heimliche Beobachter in seinem geheimen Kontrollraum tief unter dem Stützpunkt. Kalt lächelnd hatte er alles mit angesehen. Dr. Andersons Auftritt, Professor Dr. Connors Tod, Eves Versuch einzugreifen, Emilys Entführung und den Diebstahl des C-Serums.
Was bildete sich Anderson eigentlich ein. Glaubte er tatsächlich, er könnte ihn hintergehen? Ihn, Victor Farnsworth? Sein Vater Arthur war der Gründer der Techstar Corporation. Ein cleverer, skrupelloser Geschäftsmann, mit viel Geld, Macht und Einfluss. Er hatte die TSC zu dem gemacht, was sie heute war, aber nicht einmal er ahnte etwas von den finsteren Plänen seines Sohnes Victor.
Victor verstand es meisterhaft, die Mikrotechnik für seine Zwecke einzusetzen. Mikrokameras befanden sich in allen wichtigen Einrichtungen der TSC und zeichneten jede Bewegung und jedes Wort auf. Selbst das Büro und die Wohnung seines Vaters hatte er verwanzt.
Computer filterten die wesentlichen Informationen für ihn heraus. Längst kannte er alle Firmengeheimnisse, Geschäftspartner und Kontaktpersonen. Wenn er das C-Serum gewinnbringend vermarkten konnte, würde er endgültig die Leitung der TSC übernehmen.
Er war der heimliche Drahtzieher im Hintergrund. Wer ihm in die Quere kam, wurde beseitigt. Er, Victor, hatte die Pläne für diesen Stützpunkt in Auftrag gegeben.
Handverlesenes Personal baute den Kontrollraum, die Geheimgänge und seine majestätisch anmutende Suite tief unter dem Stützpunkt. Hausmädchenroboter hielten sein verstecktes Domizil in Schuss. Durch Zugriff auf Carmen hatte er die vollständige Kontrolle über den Stützpunkt. Nach Fertigstellung der Bauarbeiten inszenierte er bei der Einweihungsfeier einen „tragischen Unfall“, womit er sich mit einem Schlag aller lästigen Mitwisser entledigte.
Ihre Gebeine ruhen in der natürlichen, 2 km langen unterirdischen Höhle, durch die er jederzeit unbemerkt den Kontrollraum erreichen kann. Als Transportmittel in der Höhle verwendet er einen Magnetgleiter und ein Stealth-Hubschrauber im Hangar, hinter dem getarnten Höhleneingang, bildet seine Verbindung zur Außenwelt.
Er spulte die Aufnahme zurück und sah sie sich noch einmal an. Eves Kraft, mit der sie die Untersuchungsröhre zertrümmerte, war wirklich unglaublich. Allein schon die Tatsache, wie schnell sie sich von dem mörderischen Schlag dieses gigantischen Cyborgs erholt hatte, war bemerkenswert. Das C-Serum wirkte besser, als er es sich erhofft hatte.
Anderson war ein Narr, dass er Connors getötet hatte. Den einzigen Mann, der die genaue Zusammensetzung des C-Serums kannte. Er hätte es sicher noch perfektioniert. Was für eine Verschwendung geistiger Kapazitäten. Anderson würde es noch bitter bereuen, sich an seinem Eigentum vergriffen zu haben. Er würde das C-Serum zurückbekommen und Eve würde sein Werkzeug sein. Gleichzeitig ergab sich dadurch eine gute Möglichkeit, ihre Fähigkeiten zu testen. Die Sache fing langsam, an interessant zu werden.
Bills Eingreifen hatte ihn überrascht. Dieser Kerl hatte ja richtig Mumm und schien clever zu sein. Bisher hatte er ihn nur für einen verweichlichten Möchtegernhacker gehalten. Wie durchdacht er Eve zur Flucht verholfen und Commander Grey und seine Männer getäuscht hatte amüsierte ihn. In Zukunft würde er ihn genauer im Auge behalten.
Commander Grey war für ihn nur eine Marionette. Glaubte er doch tatsächlich, man hätte ihm ernsthaft die Leitung dieses Stützpunktes übertragen. Seine kindischen Versuche Carmens Türsteuerungsfunktionen zu deaktivieren waren geradezu lächerlich. Sollte er doch glauben, er hätte es geschafft. Victor kannte Greys Vorgeschichte. Er wusste, dass dieser Klone hasste und sein Vertrauen nur in normale, gut trainierte Soldaten setzte. Grey war ein erfahrener Kämpfer, nur darum hatte er ihn rekrutiert. Nur, um zu sehen, wer besser war.
Mensch oder Klon, Mensch oder Maschine, Mensch oder Monster? Grey würde seine Chance erhalten. Er und seine Männer würden zu seiner persönlichen Unterhaltung beitragen. Für Menschen wie Victor, die alles besaßen, wovon andere nur träumten, war das eigene Leben langweilig und das Leben anderer Menschen bedeutungslos. Sie waren alle nur Figuren in seinem Schachspiel und er, Victor, bestimmte die Regeln!
Kapitel 3
- Eves Flucht aus Connors Labor
Eve kroch durch den Lüftungsschacht und fand einen leeren Raum, den sie sicher betreten konnte, aber ab nun wurde es für sie gefährlich. Kameras überwachten den Stützpunkt und es war nur eine Frage der Zeit, bis die Wachmänner sie hier finden würden. Sie musste so schnell wie möglich Bills Computerzentrum erreichen, sonst hatte sie keine Chance.
Sie war noch total verwirrt von den sich überschlagenden Ereignissen. Der Professor war ein guter Mensch, das konnte sie spüren. So einen schrecklichen Tod hatte er nicht verdient. Selbst als er starb hatte er nur Angst um das Schicksal seiner Tochter Emily. Wut keimte in ihr auf, Wut auf Dr. Anderson und Angst um Emily. Wer wusste schon, was dieser Wahnsinnige mit ihr vorhatte.
Die Tür ging auf, ein Wachmann stürmte herein, zog seine Waffe und rief: „Halt! Nicht
bewegen!“
Eve entgegnete gereizt: „Ich habe andere Pläne!“ Sie stürmte auf den Wachmann zu, wich seinem Schuss geschickt aus, entwaffnete ihn und schlug ihn K.O.
Er hatte die gleiche, 10-schüssige Betäubungspistole wie sie. Geschickt entlud sie die Waffe und nahm das Magazin an sich.
Sie zermarterte sich das Gehirn. Wer war sie nur? Woher kannte sie sich so gut mit Waffen aus? Und wie leicht sie den Wachmann ausgeschaltet hatte. Wo hatte sie nur so gut kämpfen gelernt? Vom C-Serum konnte das unmöglich herrühren. War sie Mitglied einer Spezialeinheit oder einfach nur eine gemeine Killerin? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen! Dennoch, das C-Serum hatte sie unglaublich schnell und stark gemacht. Sie hatte gar nicht fest zugeschlagen, aber trotzdem den Wachmann fast getötet. In Zukunft musste sie vorsichtiger sein, sonst würde sie wirklich noch zur Mörderin werden.
Sie verließ den Raum, rannte den Flur entlang und flüchtete in einen großen Lagerraum, der
zur Hälfte mit menschengroßen, tiefgekühlten Behältern gefüllt war. Hier wurden
anscheinend die eingelieferten Patienten aufbewahrt, die in todesähnlicher Starre verharrten
und auf ihre Heilung warteten, die meisten vermutlich vergebens. Im Raum herrschte eisige
Stille. Sie überkam ein beklemmendes Gefühl, als sie langsam zwischen den Kühlbehältern
hindurchschritt, die ihr wie riesige groteske Glassärge erschienen. Durch die Scheiben konnte
sie menschliche Körper mit schrecklichen Verletzungen erkennen. Hier musste auch sie
gewesen sein, bevor der Professor sie heilte.
Sie schüttelte die lähmenden Gedanken ab und betrat den angrenzenden Büroraum.
Ein Angestellter starrte sie entsetzt an und stammelte: „Oh Gott, Sie! Bitte tun sie mir nichts.“
Eve entgegnete: „Keine Angst, ich werde Ihnen nichts tun, aber verraten sie mir eins, wie komme ich aus diesem Labor raus?“
Ängstlich antwortete der Angestellte: „Es gibt eine Sicherheitstür. Aber sie wird stark bewacht. Da kommen Sie nie raus.“
Eve sagte: „Lassen Sie das nur meine Sorge sein! Wo ist sie?“
Der Angestellte entgegnete: „Den Flur entlang bis zum nächsten Gang, dann links, gleich wieder rechts und dann immer geradeaus. Sie können sie gar nicht verfehlen!“
Sie verließ das Büro und lief flinken Fußes den Flur entlang. Am Ende angekommen spähte
sie links um die Ecke. Zwei Wachmänner kamen auf sie zu. Sie zog die Betäubungspistole
und setzte sie mit zwei gezielten Schüssen außer Gefecht. Auch hinter ihr hörte sie Schritte,
die sich rasch näherten. Fünf weitere Wachmänner kamen von hinten. Der Angestellte
musste sie informiert haben. Sie flüchtete in den nächsten Raum und schloss die Tür hinter
sich. Draußen rannten die Wachmänner vorbei und riefen ratlos: „Wo ist sie? Ich glaube wir
haben sie verloren!“ Über Funk bekamen sie Anweisungen, wohin sie sich zu wenden hatten.
Sie kamen zurück. Diese verdammten Überwachungskameras! Sie flüchtete in den
Nebenraum, wo sie auf eine verängstigte Büroangestellte stieß, die ängstlich um Hilfe rief.
Eve rannte an ihr vorbei in den nächsten Flur und lief direkt zwei Wachmännern in die Arme.
Diese, selbst überrascht, versuchten sie mit Faustschlägen und Fußtritten zu überwältigen.
Aber Eve war schneller. Mit einigen gezielten Schlägen setzte sie beide außer Gefecht, noch
bevor diese ihre Waffen ziehen konnten. Hinter sich hörte sie die trampelnden Schritte der
fünf Wachmänner, die sie schon fast eingeholt hatten. Betäubungsgeschosse flogen surrend
an ihr vorbei. Sie flüchtete in den nächsten Raum und postierte sich mit dem Rücken zur
Wand neben der Tür. Die Wachmänner stürmten in den Raum. Eve schlug den Letzten von
hinten nieder. Die anderen wirbelten herum. Einer hob seine Pistole, schoss und traf einen
Kollegen, den Eve zwischen sich und das heranfliegende Geschoss gezerrt hatte. Sie stieß
den betäubten Wachmann von sich, direkt in die Arme des Schützen, der hinfiel und seine
Waffe verlor.
Die beiden anderen griffen sie mit bloßen Fäusten an. Eve steckte ein paar Schläge ein, aber die konnten sie nicht ernsthaft verletzen. Einen Gegner nach dem anderen streckte sie nieder. Der am Boden liegende Wachmann hatte gerade wieder seine Waffe erreicht, als ihn Eve mit einem Fußtritt außer Gefecht setzte.
Das war knapp. Sie holte tief Luft und spähte in den nächsten Flur. Links war ein
Kontrollraum, in dem sich zwei Wachmänner befanden und rechts die Sicherheitstür, die sie
gesucht hatte. Irgendwo dahinter musste sich das Computerzentrum befinden. Eve
versuchte sich im toten Winkel der Überwachungskamera zu bewegen, schlich zur Tür und
probierte Professor Dr. Connors Sicherheitsausweis aus. Mist! Die Tür blieb verschlossen.
Anscheinend wurde der Ausweis schon gesperrt. Commander Grey überließ nichts dem
Zufall. Okay, dann eben auf die harte Tour. Mit gezogener Waffe schlich sie auf den
Kontrollraum zu. Die Überwachungskamera musste sie längst erfasst haben.
Einer der Wachmänner verließ mit gezogener Waffe den Kontrollraum und sah sich suchend um. Kurz darauf traf ihn das Projektil aus Eves Betäubungspistole. Mit aufgerissenen Augen kippte er nach hinten, direkt in die Arme seines Kollegen. Dieser wollte noch schnell Alarm auslösen, aber da traf ihn bereits Eves zweites Betäubungsgeschoss. Bewusstlos sackte er in sich zusammen.
Eve betrat den Kontrollraum. Mit schlafwandlerischer Sicherheit fand sie den Schalter zur
Türfreigabe und betätigte ihn. Die Anzeige sprang um von Rot auf Grün und die Tür war
entriegelt.
Nachdenklich grübelte Eve vor sich hin. Woher hatte sie nur dieses Wissen, wie man solche Sicherheitskonsolen bedient? Hatte man sie darin ausgebildet? Wer war sie nur? Wenn sie sich doch nur erinnern könnte.
Egal, sie musste weiter. Sie verließ den Kontrollraum und rannte durch die Sicherheitstür, die
nun automatisch vor ihr aufglitt. Ein langer Flur lag vor ihr. Hatte sie sich verirrt? Die Zeit lief
ihr davon.
Ein Wissenschaftler kam um die Ecke und starrte sie böse an. Eve lief auf ihn zu und sagte:
„Bitte helfen Sie mir. Wo befindet sich der Maschinenraum mit den Stromgeneratoren?“ Er
musterte sie mit verächtlicher Miene und sprach: „Von mir erfahren Sie gar nichts! Sie
Monster! Nach allem was Professor Dr. Connors für Sie getan hat, haben Sie ihn getötet! Sie
sollten sich schämen!“
Eve stammelte: „Ich mich schämen? Aber ich war es doch gar nicht! Dr. Anderson hat …“
Er schnitt ihr das Wort ab: „Mich können sie nicht täuschen! Sie sind nicht der erste Patient der durchdreht und Amok läuft! Sie Mörderin!“
Verunsichert ließ sie den Wissenschaftler stehen und rannte weiter. Die Tatsache, dass
dieser Mann sie für ein Monster hielt, tat ihr in der Seele weh. Hatte das C-Serum ihren Geist
verändert? War sie nicht mehr Herr ihrer Sinne? Mutierte sie wirklich zu einem Monster, wie
die anderen Patienten von denen der Wissenschaftler sprach? Sie wusste ja nicht einmal,
wer sie war. Alles kam ihr vor wie ein böser Traum. Sie musste unbedingt Bill finden. Nur er
konnte ihr sagen, ob sie verrückt war oder vielleicht sogar gemeingefährlich.
Der Gang gabelte sich. Sie lugte vorsichtig rechts um die Ecke und las am Ende des Ganges
in großen Buchstaben über der Tür COMPUTERZENTRUM. Endlich! Sie hatte es fast
geschafft. Jetzt musste sie nur noch den Lüftungsschacht finden, von dem Bill gesprochen
hatte.
Plötzlich rannten drei Wachmänner mit gezogenen Pistolen auf sie zu. Sie mussten ihr hinter
der Ecke aufgelauert haben. Eine Falle! Auch hinter ihr hörte sie Schritte, die sich rasch
näherten. Die Überwachungskamera verfolgte jede ihrer Bewegungen. Links von ihr öffnete
sich plötzlich die Tür zu einem Maschinenraum. Sie war mit gelbschwarz gestreifter
Warnfarbe gekennzeichnet und trug die Aufschrift: „Gefahr! Zutritt nur für
Wartungspersonal.“ Riesige Generatoren gaben elektrisch summende Geräusche von sich.
Die Wachmänner schossen, doch Eve hatte gute Reflexe. Sie wich den Projektilen aus und
hechtete mit einer seitlichen Rolle in den Maschinenraum. In einiger Entfernung hörte sie die
Geräusche riesiger Rotorblätter, die langsam zum Stillstand kamen. Das musste der
Lüftungsschacht sein, von dem Bill ihr erzählt hatte. Hatte er sie beobachtet, die rettende
Tür geöffnet und den Ventilator gestoppt? Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken.
Neun Wachmänner kamen herein und sie versteckte sich zwischen den Generatoren, die eine
bedrohlich summende Lärmkulisse bildeten.
Einer rief: „Wo ist sie? Ich kann sie nicht sehen!“
Ein anderer brüllte: „Verteilt euch! Sie darf nicht entkommen!“
Vorsichtig bewegte sie sich in Richtung Lüftungsschacht. Ihre Sinne waren aufs Äußerste geschärft. Ein Wachmann näherte sich ihrer Position. Sie konnte seine Anwesenheit spüren, noch bevor sie ihn sah. Durch ihre stark verbesserte Wahrnehmung war sie gegenüber den Anderen klar im Vorteil. Als er um die Ecke bog, schlug sie ihn nieder und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. Dann näherte sie sich dem nächsten Wachmann, der sich in Richtung Lüftungsschacht bewegte. Sie nahm ihre Betäubungspistole und schoss. Er sackte bewusstlos in sich zusammen. Ein anderer sprang sie von der Seite an. Verdammt! Sie hatte nicht aufgepasst! Sie ergriff seinen Arm, brachte ihn mit einem Hüftwurf unter sich und schlug ihn K. o. Jetzt hatte sie nur noch sechs Gegner.
Der Bereich vor dem Lüftungsschacht war weiträumig mit gelbschwarzen Warnstreifen und
Sicherheitsabsperrungen versehen. Rechts und links befanden sich die Generatoren und in
der Mitte zog sich eine Schneise durch die komplette Halle zum Absaugen der Warmluft.
Eve sprang mit einem Satz über die Absperrung und spurtete auf den Lüftungsschacht zu.
Ein Wachmann brüllte: „Da ist sie! Lasst sie nicht entkommen!“
Die Wachmänner rannten hinter ihr her. Einer hob seine Pistole und schoss. Er traf Eve in den Arm. Ein taubes Gefühl breitete sich in ihm aus. Sie hielt sich die Schulter und rannte weiter. Sie hatte den Lüftungsschacht schon fast erreicht.
Der Wachmann rief: „Ich glaube, ich habe sie erwischt! Holt sie euch!“
Zwei kletterten über die Sicherheitsabsperrung und folgten ihr.
Sie kroch durch die stillstehenden Rotorblätter des Ventilators, als ein weiteres Betäubungsgeschoss sie am Bein traf. Das taube Bein nachziehend schleppte sie sich weiter in die Dunkelheit des Lüftungsschachtes.
Ein Wachmann rief fassungslos: „Sie wurde zweimal getroffen, wie kann sie da noch stehen?“
Mit letzter Kraft kroch sie in einen Seitenschacht und blieb erschöpft liegen.
Plötzlich setzte sich der riesige Ventilator in Bewegung. Schneller und schneller drehten sich
die Rotorblätter. Ein gewaltiger Luftstrom fegte an Eve vorbei.
Ein Wachmann brüllte: „Abschalten, sofort abschalten!“
Die beiden Wachmänner versuchten entsetzt umzukehren, doch für sie war es bereits zu spät. Sie wurden vom Luftsog erfasst und gnadenlos in den Ventilator gerissen. Mit knirschenden Geräuschen wurden sie von den Rotorblättern zerfetzt.
Eve war fassungslos. Langsam erholte sie sich wieder. Ihr Immunsystem hatte das Betäubungsmittel bereits neutralisiert. Sie stemmte sich gegen den Luftsog und kroch weiter in den Seitenschacht.
Bald war sie am Ende des Schachtes angekommen und spähte durch das Lüftungsgitter.
Sie hatte das Computerzentrum erreicht und sah Bill, der hektisch Carmens Konsole
bediente. Sie versuchte sich bemerkbar zu machen, aber er reagierte nicht. Wie besessen
arbeitete er weiter. Plötzlich ertönte ein elektrisches Knistern und Rauch stieg aus einer
Schalttafel auf.
Bill blickte auf und sagte: „Du kannst jetzt rauskommen. Ich habe die Überwachungskameras
im Stützpunkt deaktiviert. Ein Kurzschluss. Das zu reparieren wird eine Weile dauern!“
Eve verließ den Lüftungsschacht und stammelte entsetzt: „Bill! Bitte sag mir, dass du das nicht warst, der die Wachen getötet hat!“
Bill beteuerte: „Ich verstehe das selbst nicht! Ja, ich habe dich beobachtet, die Tür geöffnet und den Ventilator angehalten, aber ich hätte ihn niemals wieder in Betrieb gesetzt, solange sich jemand in seinem Gefahrenbereich befindet! Auch du hättest getötet werden können!“
Eve entgegnete: „Aber wieso hat sich der Ventilator dann plötzlich wieder eingeschaltet?“
Bill fuhr fort: „Das muss Carmen gewesen sein. Vermutlich eine Fehlfunktion. Sie verhält sich in letzter Zeit öfter so komisch. Nur sie hat vollständigen Zugriff auf alle elektrischen Einrichtungen.“
Eve bewegte sich unbehaglich: „Bill, ich muss dich was fragen. Ich bin unterwegs einem
Wissenschaftler begegnet. Er sagte, ich sei ein Monster. Ich wäre nur eine von vielen, die
bereits durchgedreht und andere Leute getötet hätten. Hat das C-Serum mich verwandelt?
Bin ich vielleicht schizophren und habe selbst im Wahn den Professor und den Wachmann
getötet? Ich zweifele langsam an meinem Verstand.“
Bill fasste sie an den Schultern, nahm sie tröstend in den Arm und sagte mit überzeugender Stimme: „Unsinn! Wie kannst du nur so etwas denken? In Professor Dr. Connors Labor hat es nie einen solchen Vorfall gegeben.“
Eve sagte zweifelnd: „Aber der Wissenschaftler …“
Bill fuhr fort: „Vergiss ihn! Die einzigen Vorfälle dieser Art haben wir Dr. Anderson zu verdanken. Denk an den Cyborg. Nicht umsonst wurde seine damalige Entwicklung eingestellt. Du bist vollkommen normal. Lass dir bloß nichts anderes einreden.“
Bills Worte taten ihr gut, aber der Name Anderson ließ sie aufschrecken. Schlagartig fiel ihr
die arme Emily wieder ein. Sie war hilflos diesem Monster ausgeliefert. Sie musste unbedingt
etwas dagegen unternehmen.
Eve sagte: „Bill, bitte hilf mir. Was können wir tun, um Emily zu befreien. Wer weiß, was dieser Dreckskerl Anderson ihr bereits angetan hat.“
Bill entgegnete: „Ja, die Zeit drängt. Hier hast du einen Comlink und einen Mikrocomputer.
Der Comlink wird auch vom Sicherheitspersonal verwendet. Er besitzt einen geschützten Kanal, über den ich dir Tipps geben kann, ohne dass wir dabei abgehört werden. Außerdem enthält er eine elektronische Karte des gesamten Stützpunktes. So weißt du genau, wo du dich gerade befindest.
Mit dem Mikrocomputer kannst du elektronische Türschlösser kurzschließen und dich in Computerprogramme einhacken. Ich verwende ihn normalerweise zur Hardwarediagnose und Remote-Fernsteuerung. Er wird dir sicher noch gute Dienste leisten. Emily weiß auch damit umzugehen. Ich habe ihr einige Tricks gezeigt, die man damit anstellen kann.
Eve antwortete: „Aber der Cyborg, was kann ich gegen ihn unternehmen?“
Bill entgegnete: „Auf Ebene 3 befindet sich nicht nur die Roboterfabrik, sondern auch ein Roboterfriedhof. Dort lagert noch ein alter Kampfroboter, ein Titan-X. Ein riesiges, ca. 2,50 m großes Ungetüm aus Stahl. Die Serie wurde vor fünf Jahren eingestellt. Sie sollten durch die Cyborgs ersetzt werden, aber nach einigen Fehlschlägen hat sich die TSC auf Klone spezialisiert.
Ich weiß nicht, ob er noch vollständig funktioniert. Er ist nicht schnell, aber sehr gut gepanzert und viel stärker als der Cyborg. Er sollte den Cyborg eine Weile beschäftigen können, bis du Emily befreit hast.
Hier ist sein alter Gedächtnischip. Ich konnte mich nie von ihm trennen. Vielleicht aus Nostalgie? Egal, jetzt bekommt er seine letzte Mission. Ich habe ihn darauf programmiert, dich und Emily zu beschützen. Wenn du ihm den Chip eingesetzt hast, kannst du ihn über den Mikrocomputer aktivieren.
Und noch was. Auf Ebene 3 befindet sich eine Waffenkammer. Dort findest du schwere Waffen, die du gegen den Cyborg einsetzen kannst. Wenn der Kampfroboter nicht mehr funktioniert, kannst du dich damit wehren.“
Eve fragte: „Und wie komme ich auf Ebene 3?
Bill antwortete: „Benutze deinen Comlink. Du kriechst wieder durch den Lüftungsschacht und versuchst den Lastenaufzug zu erreichen. Wenn das nicht klappt, bleibt dir nur noch der Weg durch das Treppenhaus. Es ist aber mit Selbstschussanlagen gesichert, die durch Lichtschranken ausgelöst werden. Diesen Weg würde ich dir nicht empfehlen, es sei denn, du findest die Sicherheitskonsolen, mit denen du die Lichtschranken deaktivieren kannst. So, nun solltest du aber gehen. Ich werde dir helfen, so gut ich kann.“
Eve hauchte ihm einen Kuss auf die Wange: „Danke, Bill. Danke für alles.“ Abrupt drehte sie sich um und verschwand wieder im Lüftungsschacht.“ Bill war ganz verlegen.
Ein Funkspruch von Commander Grey riss ihn grausam in die Realität zurück.
Grey brüllte: „Johnson, melden Sie sich!“
Bill entgegnete: „Ja, Sir?“
Zornig fuhr Grey fort: „Johnson, was sollte diese Schweinerei mit dem Lüftungsventilator?
Zwei meiner Männer sind tot! Können sie mir das bitte erklären?“
Bill antwortete: „Keine Ahnung Sir, vermutlich eine Fehlfunktion.“
Grey grollte lauernd: „Ach ja? Und wie kommt es, dass plötzlich im kompletten Stützpunkt die Überwachungskameras ausgefallen sind?“
Johnson antwortete vorsichtig: „Ein Kurzschluss, vermutlich ausgelöst durch meinen Versuch den laufenden Ventilator zu stoppen.“
Grey brüllte: „Das können Sie ihrer Großmutter erzählen, aber nicht mir!!! Wofür bezahle ich Sie eigentlich? In meinem Stützpunkt läuft ein Monster frei herum und ich weiß nicht einmal, wo es sich befindet! Wie lange wird es dauern, bis die Überwachungskameras wieder einsatzbereit sind?
Bill entgegnete: „Etwa zwei Stunden.“
Greys Stimme überschlug sich: „Was??? Sie haben Eine und keine Sekunde länger!“
Bill entgegnete vorsichtig: „Sir, ich glaube nicht, dass Eve den Professor getötet hat. Ich habe eher den Verdacht, dass Dr. Anderson das C-Serum stehlen wollte und nun versucht Eve die Morde anzuhängen. Sie ist bestimmt nicht gefährlich.“
Grey polterte: „Papalapapp!!! Ich habe den Untersuchungszylinder gesehen, in dem sich dieses Monster befand. Er wurde eindeutig von innen zerstört. Kein Mensch verfügt über so eine Kraft!“
Bill entgegnete: „Sir, bitte, sie ist kein Monster!“
Gereizt antwortete Grey: „Wissen Sie was Johnson, ich glaube, sie stecken mit diesem Freak unter einer Decke! Ich werde einen meiner Männer zu ihrer Überwachung abstellen, damit Sie nicht auf dumme Gedanken kommen! Und jetzt gehen Sie endlich an Ihre Arbeit! Sie haben noch genau 55 Minuten und dann will ich Resultate sehen! ENDE!“
Bill bereute, dass er versucht hatte, Commander Grey von Eves Unschuld zu überzeugen.
Der Mann war stur wie ein Panzer. Jetzt, wo er unter Überwachung stand, würde er es
schwer haben, Eve zu helfen.
In seinem versteckten Kontrollraum amüsierte Victor sich köstlich. Natürlich hatte Er den Ventilator eingeschaltet und alles mitbekommen. So ein Schauspiel erlebte er nicht alle Tage.
Er war schon gespannt darauf, wie sich die Sache weiterentwickelte.
Kapitel 4
- Auf Rettungsmission
Eve kroch durch den Lüftungsschacht und schaute auf ihren Comlink. In welcher Richtung befand sich der Lastenaufzug? Sie wählte den nächsten Seitenkanal. Bills sicheres Auftreten und seine aufmunternden Worte hatten ihr Mut gemacht. In einiger Entfernung sah sie ein Lüftungsgitter und kroch darauf zu. Nein, sie war nicht verrückt! Anderson war das Monster, nicht sie! Außer Bill konnte sie niemandem vertrauen. Sie hatte das Lüftungsgitter erreicht und spähte hindurch in den angrenzenden Flur. Da war der Lastenaufzug! Aber er wurde stark bewacht. Acht Wachleute standen davor und schienen sie schon zu erwarten. Sie redeten über sie und ihre toten Kollegen. Mein Gott mussten diese Leute sie hassen! Was hatte sie ihnen denn getan? Nichts! Fieberhaft überlegte sie, wie sie es an ihnen vorbei in den Aufzug schaffen sollte, aber sie hatte ein ungutes Gefühl. Weitere Wachleute schienen in der Nähe zu sein, das konnte sie deutlich spüren.
Sie beschloss, es doch lieber zuerst durch das Treppenhaus zu versuchen. Es war durch
Selbstschussanlagen gesichert und daher vielleicht nicht ganz so stark bewacht. Sie
überprüfte mit ihrem Comlink, welche Konsole zur Freigabe des Treppenhauses in Frage
kam. Es gab zwei, in verschiedenen Kontrollräumen. Eine am anderen Ende des Ganges zur
Deaktivierung der Lichtschranken und eine weitere zur Freigabe der Tür direkt vor dem
Treppenhaus.
Plötzlich spürte sie den Vibrationsalarm ihres Comlinks. Bill meldete sich!
Eve fragte: „Was gibt’s, Bill?“
Bill entgegnete: „Ich habe Probleme. Commander Grey misstraut mir. Er hat einen Wachmann zu meiner Überwachung abgestellt. Der müsste gleich hier sein. Außerdem hat er mir eine Frist zur Reparatur der Überwachungskameras gesetzt. Wenn ich die nicht einhalte, wird er mich suspendieren. Du hast noch genau 50 Minuten, dann muss ich die Überwachungskameras wieder einschalten. Bitte beeile dich und viel Glück!
Eve antwortete: „Verstanden! Ende!“
Eilig kroch sie weiter. Nach rund 50 Metern verließ sie den Lüftungsschacht und befand sich
in einem Wartungsraum. Die Tür war verschlossen. Mist! Jetzt war es an der Zeit Bills
Mikrocomputer auszuprobieren. Sie deutete damit auf die Tür und betätigte die
Entriegelungsfunktion. Geschafft! Die Tür glitt auf.
Eve spähte in den angrenzenden Flur. Niemand war zu sehen. Vorsichtig schlich sie auf den
ersten Kontrollraum zu. Sie lugte durch das Fenster. Zwei Wachmänner befanden sich darin.
Sie hatten Angst, das konnte sie deutlich spüren. Der Ausfall der Überwachungskameras
hatte sie total verunsichert, wie aus ihren Gesprächen zu entnehmen war. Ein Wachmann
spielte nervös mit seiner Waffe. Ihn würde sie als Ersten ausschalten. Sie kroch unter dem
Fenster hindurch, zog ihre Waffe und öffnete die Tür. Völlig überrascht zuckten die beiden
Wachleute zusammen. Eve feuerte zweimal ihre Betäubungspistole ab und die Männer
sackten zu Boden. Sie nahm deren Munition an sich und lud ihre Waffe nach. An der Wand
befand sich die erste Sicherheitskonsole. Sie deaktivierte die Lichtschranken für die
Selbstschussanlagen.
So, das war geschafft. Jetzt musste sie zu Kontrollraum 2. Aus dem Flur hörte sie Stimmen.
Zwei Wachmänner waren auf Patrouillengang und unterhielten sich. Sie schienen ihre
Anwesenheit noch nicht bemerkt zu haben. Eve ließ sie in Schussweite kommen, sprang auf
den Flur und betäubte sie mit zwei gezielten Schüssen. Sie rannte den Gang entlang auf den
nächsten Kontrollraum zu. Weitere Wachmänner näherten sich, das konnte sie deutlich
spüren. Noch hatten sie sie nicht bemerkt. Jetzt musste es schnell gehen. Sie erreichte den
Kontrollraum und öffnete die Tür. Drei Wachleute befanden sich in dem Raum und drehten
sich überrascht um. Sie versetzte dem Ersten einen Stoß, der ihn umwarf. Der Zweite schlug
nach ihr, sie duckte sich und zog ihm mit einem Fußfeger die Beine weg. Der Dritte griff sie
von hinten an und wollte sie festhalten, aber er hatte nicht mit Eves Stärke gerechnet. Wie
ein lästiges Insekt schüttelte sie ihn ab und wirbelte ihn durch den Raum. Der erste
Wachmann war bereits wieder auf den Beinen und stürmte direkt auf sie zu. Er wollte sie mit
beiden Armen packen und zu Boden reißen. Doch sein Angriff ging ins Leere. Eve wich ihm
seitlich aus und schlug ihn mit einem Schlag auf den Hinterkopf K. o. Der zweite Wachmann
schlug nach ihr und traf sie in der Magengegend, aber das spürte sie kaum. Mit einem
Kinnhaken streckte sie ihn zu Boden. Bewusstlos blieb er liegen. Plötzlich traf sie ein heftiger
Schlag an der Schläfe. Der dritte Wachmann hatte seine Pistole gezogen und mit dem Knauf
der Waffe zugeschlagen. Vor Eves Augen drehte sich alles. Halb benommen stürzte sie zu
Boden. Der Wachmann rief triumphierend: „So, und jetzt gebe ich dir den Rest!“ Er hob
seine Pistole und drückte ab. Im letzten Moment trat ihm Eve gegen sein Schienbein. Er
taumelte und der Schuss ging ins Leere. Mit schmerzverzerrter Miene versuchte er noch
einmal zu schießen, aber da hatte Eve bereits ihre eigene Waffe gezogen und beförderte ihn
mit einem Schuss in das Land der Träume.
Eve rappelte sich auf und rieb sich den Kopf. Verdammt hatte das wehgetan! Fast wäre sie erledigt gewesen. Künftig würde sie nicht mehr so unüberlegt handeln, das nahm sie sich fest vor. Sie ging zur Sicherheitskonsole und entriegelte die Tür zum Treppenhaus. Der Weg war frei.
Von draußen hörte sie Stimmen. Vier weitere Wachleute näherten sich dem Kontrollraum. Sie
zog ihre Waffe und stürmte aus der Tür auf das Treppenhaus zu.
Jetzt hatten sie sie entdeckt und riefen: „Da ist sie! Schießt! Lasst sie nicht entkommen.“
Betäubungsgeschosse surrten auf sie zu. Eve wich ihnen aus und feuerte mehrere Schüsse hintereinander ab. Drei Wachmänner sanken zu Boden. Den Letzten hatte sie knapp verfehlt.
Sie rannte auf ihn zu, stieß ihn zur Seite und flüchtete ins Treppenhaus. Gerettet! Endlich hatte sie Zugang zu Ebene 3. Emilys Rettung war wieder einen Schritt näher gerückt.
Der Wachmann war leicht angeschlagen und rappelte sich auf. Er nahm seinen Comlink und
machte eine Durchsage: „Hier Einheit 5. Commander Grey, bitte melden! Versuchsobjekt Eve
ist durch das Treppenhaus auf Ebene 3 entkommen. Meine Kollegen sind bewusstlos. Was
soll ich tun? Soll ich ihr folgen?“
Grey antwortete: „Negativ! Higgins bleiben sie, wo sie sind! Ich werde Sergeant Taggert verständigen. Er und sein Team werden ab jetzt den Fall übernehmen!“
Grey funkte Taggert an: „Sergeant Taggert, hören Sie mich?“
Taggert antwortete: „Ja, Serge!“
Grey brummte: „Taggert, ich habe einen Auftrag für sie! Nehmen Sie ihr Team, verfolgen sie diese Kreatur und machen sie sie unschädlich! Sie befindet sich jetzt auf Ebene 3.“
Taggert fragte: „Können wir scharfe Munition einsetzen?“
Grey antwortete: „Ja! Bisher habe ich Rücksicht genommen, weil ich das Leben von Connors Tochter Emily nicht gefährden wollte. Das war ich dem Professor schuldig. Er hat schon viele Menschenleben gerettet, Ihres eingeschlossen. Emily wurde bisher nicht gefunden und die Kreatur hat Ebene 2 verlassen. Ich muss davon ausgehen, dass sie tot ist. Drei unserer Männer sind ebenfalls tot und zwei liegen auf der Krankenstation. Meine Geduld ist am Ende.
Finden und erledigen Sie sie, egal mit welchen Mitteln!“
Taggert antwortete: „Habe verstanden, Sir! Ende!“
Sergeant Taggert war Commander Greys bester Mann. Ein wortkarger, 1,90 m großer,
muskulöser Typ mit schwarzem Bürstenschnitt. Er unterstand Commander Grey bereits, als
dieser noch beim Militär war. Ihm hatte er es auch zu verdanken, dass er ebenfalls zur TSC
wechseln konnte, bei fürstlichem Gehalt und besseren Arbeitsbedingungen. Vor fünf Jahren
hatte es dann einen schrecklichen Zwischenfall gegeben. Ein Amok laufender Cyborg aus
Andersons Labor riss ihm beide Arme aus und hatte ihn fast getötet. Es war nur Dr. Connors
genialem Geist zu verdanken, dass er überlebte. Die TSC implantierte ihm Cyborgarme und
verstärkte künstlich seine Rückenmuskulatur, sodass er seinen Dienst wieder antreten
konnte. Ansonsten war er aber ein ganz normaler Mensch.
Sergeant Taggert nahm seinen Comlink und befahl: „Jackson, trommeln sie ihre Leute
zusammen! Kampfanzüge, scharfe Waffen, wir bilden zwei Teams mit jeweils 6 Mann!
In 15 Minuten beginnt der Einsatz. Ihr Team nimmt den Lastenaufzug, meines das Treppenhaus. Wir gehen auf Ebene 3 und machen diese Kreatur unschädlich. Haben Sie das verstanden?“
Jackson antwortete: „Klar und deutlich, Sir! Ende!“
Jackson war Taggerts rechte Hand und ihm und Commander Grey treu ergeben.
Er war gebürtiger Kenianer, ein großer, sehniger Typ mit kurz geschorenen Haaren.
Er zeichnete sich durch seine Zähigkeit, Ausdauer und seine guten Instinkte aus.
Er nahm seinen Comlink und informierte sein Team.
Kapitel 5
- Die Roboterfabrik
Eve verließ das Treppenhaus. Sie war jetzt auf Ebene 3. Hier befand sich die Roboterfabrik. Roboter aller Art wurden hier vollautomatisch am Fließband gefertigt. Vom simplen Haushaltsroboter bis zu Modellen für den militärischen Einsatz war hier alles vertreten. Aus riesigen Hallen dröhnten hämmernde Geräusche und ein höllischer Lärm. Es stank nach Säure und Ammoniak. Roboterarme tauchten Metallteile in Elektrolytbäder um sie zu verzinken, verkupfern oder zu verchromen. Die wenigen Techniker, die die Anlage warteten, trugen Helme, Gehörschutz und Atemschutzmasken oder saßen in schalldichten Räumen. Der Lärm und der Gestank setzten ihr schrecklich zu. Hier hätte sie sich gewünscht, nicht über eine so ausgeprägte Wahrnehmung zu verfügen.
Sie schaute auf ihren Comlink und versuchte sich zu konzentrieren. Der Roboterfriedhof
befand sich in ca. 3 km Entfernung am anderen Ende der Ebene. Die Waffenkammer hatte
sie auch schon ausgemacht. Die würde sie auf dem Rückweg aufsuchen. Schnell durchquerte
sie die erste Fabrik. Ein Techniker flüchtete, als er sie sah. Sie schenkte ihm keine Beachtung
und betrat den nächsten Raum, in dem sich riesige Säurebecken befanden. Ätzender
Gestank schlug ihr entgegen. Sie rang nach Luft. Nein, sie musste einen anderen Weg
finden. Sie durchquerte einen Lagerraum, in dem sich Ersatzteile und halbfertige
Robotermodelle befanden. Automatische Gabelstapler fuhren in der Halle hin und her und
holten oder verstauten ihre Ladung in Regalen. Roboterarme beluden Fließbänder und
Lastenroboter marschierten an Eve vorbei. Sie trugen schwere Ersatzteile, folgten strikt ihrer
Programmierung und ignorierten ihre Anwesenheit. Wenigstens die Geräuschkulisse war hier
einigermaßen erträglich.
Plötzlich durchfuhr ihren Kopf ein schrecklicher Schmerz. Sie empfing wirre Gedanken, die
sich pulsierend durch ihren Geist gruben. Eve taumelte und hielt sich mit beiden Händen den
Kopf. Ihr Gehirn schien zu explodieren! Was war das nur für ein schreckliches Gefühl? Sie
kannte diese Aura. Das musste Emily sein! Was tat dieser Irre ihr an? Er quälte sie! Lange
würde Emily das mit Sicherheit nicht durchhalten. Plötzlich riss der Kontakt ab. Emilys
Gedanken wurden entweder abgeschirmt oder sie hatte das Bewusstsein verloren.
Halb benommen lehnte Eve an der Wand und versuchte ihre Gedanken zu ordnen.
Hilflosigkeit breitete sich in ihr aus. Würde sie zu spät kommen, um Emily zu retten?
Sie musste unbedingt Bill verständigen.
Sie benutzte ihren Comlink: „Hallo Bill, hier ist Eve, bitte melde dich!“
Nichts! Keine Reaktion! War die Verbindung gestört?
Sie versuchte es noch einmal: „Hallo Bill, bitte melde dich. Emily geht es sehr schlecht. Anderson quält sie! Ich konnte deutlich ihre verzweifelten Gedanken empfangen!“
Auf dem Display erschien eine Nachricht: „Hier ist Bill. Ich kann leider nicht frei reden. Ein Wachmann beobachtet mich. Geht es dir gut?“
Eve entgegnete: „Mir schon, aber Emily kann diese Schmerzen nicht lange ertragen! Bitte sag mir, was ich tun soll!“
Bill schrieb: „Halte dich an unseren Plan. Du musst aufpassen, die Überwachungskameras sind wieder aktiviert. Commander Grey hat seine Spezialeinheit auf dich angesetzt. Es sind 12 Mann. Sie sind schwer bewaffnet. Sechs kommen durch den Lastenaufzug und die anderen durchs Treppenhaus. Vor Sergeant Taggert musst du dich in acht nehmen. Er ist Commander Greys bester Mann. Ich werde versuchen, ein paar Roboter umzuprogrammieren. Vielleicht kann ich sie damit von dir ablenk …“
Aus dem Hintergrund ertönte die misstrauische Stimme des Wachmanns: „Was tun sie da?“
Bill schickte die unfertige Nachricht ab, löschte das Display, unterbrach die Verbindung und antwortete: „Nichts! Ich habe nur noch einmal die Funktion der Sicherheitskameras überprüft!“
Eve fragte: „Bill was ist los? Bill bitte melde dich!“ Aber die Leitung blieb tot.
Hatte der Wachmann Bill erwischt? War sie jetzt völlig auf sich allein gestellt?
Sie musste auf dem schnellsten Weg zum Roboterfriedhof, um den Titan-X zu finden.
Die Überwachungskameras waren wieder aktiviert, Emily war in Not und sie hatte zwölf bewaffnete Verfolger. Viel übler konnte es nicht mehr werden!
Victor war ärgerlich. Er beobachtete Taggert und seine Männer, die sich für ihren Einsatz bereitmachten. Bisher war alles zu seiner vollsten Zufriedenheit verlaufen, aber der Einsatz scharfer Munition konnte sein Ziel gefährden, das C-Serum von Dr. Anderson zurückzuerhalten. Eve durfte nicht ernsthaft verletzt werden, noch nicht! Aber das war kein Problem. Er hatte alles im Griff. Er würde ganz einfach den Lastenaufzug umprogrammieren und so für etwas mehr Chancengleichheit sorgen. Taggerts Team startete seine Mission durch das Treppenhaus und Jacksons Team betrat gerade den Lastenaufzug. Jackson drückte den Knopf für Ebene 3, aber Victor erteilte Carmen den Befehl den Lastenaufzug auf Ebene 5 zu bewegen.
Irritiert starrten Jackson und seine Männer auf die Anzeigen. Sie waren bereits an Ebene 3 vorbei. Warum hatte der Fahrstuhl nicht angehalten? Jackson drückte mehrfach die 3, aber der Fahrstuhl bewegte sich weiter bis Ebene 5 und blieb dort stehen. Was befand sich hier unten. Andersons Labor war militärischer Sperrbezirk. Es befand sich auf Ebene 4. Von Ebene 5 waren gar keine Informationen bekannt. War hier dieser ominöse Zoo von dem hinter vorgehaltener Hand gemunkelt wurde? Niemand wusste, was hier unten vor sich ging, nicht einmal Commander Grey. Es gab auch keine Überwachungskameras um Einblick in Andersons Bereiche zu erhalten. Die Leitung der TSC hatte darüber eine strikte Informationssperre verhängt.
Die Tür des Lastenaufzuges öffnete sich. Ein langer Gang lag vor ihnen. Plötzlich trat Gas aus und trieb die Männer aus dem Fahrstuhl. Sie rangen nach Luft. Jackson brüllte: „Raus hier!“ Sie rannten durch den Gang auf die rettende Tür zu. Das Gas breitete sich hinter ihnen aus. Die Tür war offen. Gott sei Dank! Sie rannten hindurch und stockten entsetzt in ihrer Bewegung.
Sie befanden sich in einer sumpfigen, künstlichen Urwaldlandschaft. Raubtiergeruch und der süße Gestank verwesenden Fleisches schlug ihnen entgegen. Zirpende Geräusche und das grausige Gebrüll nichtmenschlicher Kreaturen waren zu hören. Durch die Nebelschwaden und das dichte Buschwerk war kaum etwas zu erkennen. Hinter ihnen schloss sich die Tür. Der Rückweg war versperrt.
Jackson nahm seinen Comlink: „Hier Jackson! Commander Grey, bitte melden! Das ist ein Notfall! Commander Grey hören sie mich?“
Nichts! Die Leitung war tot!
Jackson versuchte nun Taggert zu erreichen: „Hier Jackson! Sergeant Taggert, bitte melden!“
Nichts! Sie mussten sich in einem Funkloch befinden oder der Raum war gegen Funkwellen abgeschirmt.
Jackson hatte im Urwald schon gegen Guerillas gekämpft und daher schon einige Erfahrung, aber das waren alles menschliche Gegner und in einer Situation wie dieser hatte er sich noch niemals befunden. Das grausige Brüllen kam immer näher. Die Kreaturen mussten ihre Witterung bereits aufgenommen haben. Sie bildeten einen Kreis. Rücken an Rücken standen sie zusammen und schauten sich nervös um.
Jackson flüsterte leise: „Wir müssen hier weg! Hier haben wir keine Chance.
Sie stapften durch den Morast hinter Jackson her, einem ungewissen Schicksal entgegen. Gierige Schatten folgten ihnen.
Kapitel 6
- In Dr. Andersons Gewalt
Dr. Anderson befand sich in seinem Labor auf Ebene 4. In der Zwischenzeit hatte er sich selbst das C-Serum injiziert, um seinen körperlichen Verfall zu stoppen.
Er war begeistert und redete auf den riesigen Cyborg ein: „Carl, sieh nur, wie das C-Serum wirkt! Meine zerstörte Haut glättet sich. Meine Hände sehen schon fast wieder normal aus. Ist das nicht fantastisch?“
Der Riese stieß ein wütendes, kehliges Geräusch aus, das an das drohende Knurren eines Hundes erinnerte.
Provozierend fuhr Anderson fort: „Aber, Carl! Fast sieht es so aus, als würdest du mir meine neu erlangte Gesundheit nicht gönnen? Ehrlich gesagt, ich habe fast selbst nicht mehr daran geglaubt noch lange zu leben. Aber nun sieht es doch ganz danach aus, als würde ich dir noch eine Weile erhalten bleiben. Das freut dich doch sicher, nicht wahr?“
Das drohende Knurren des Riesen verstärkte sich.
Anderson schüttelte den Kopf: „Carl, du bist ein lausiger Gesprächspartner und ein ziemlicher Hohlkopf, weißt du das? Vielleicht hätte ich bei dir damals weniger Gehirnmasse abtöten sollen.“
Zornig wollte der Riese Anderson packen, stockte aber abrupt in seiner Bewegung und stieß ein schmerzerfülltes Gurgeln aus. Er sackte auf die Knie und hielt sich mit beiden Händen den Kopf.
Anderson schlenderte gemächlich um ihn herum und grinste hämisch: „Carl, also wirklich! Du hast das Gehirn einer Stubenfliege. Du weißt doch genau, was passiert, wenn du versuchst, mich anzugreifen. In all den Jahren, in denen du mir dienst, hast du nichts dazugelernt.“
Emily war auf dem Sitz einer Maschine festgeschnallt und kam langsam wieder zu sich. Sie
hatte die Demütigung des Riesen mitbekommen und schrie Anderson an: „Lass ihn in Ruhe,
du Scheusal!“
Anderson drehte sich um: „Ah, schon wieder wach? Zeit für deine nächste Behandlung!“
Emily schluchzte: „Bleib weg von mir. Ich will zu meinem Papa.“
Anderson entgegnete: „Ach, das weißt du ja noch gar nicht. Dein Vater ist tot. Eve hat ihn getötet.“
Emily schrie verzweifelt: „Das ist nicht wahr, du lügst! Eve ist meine Freundin. So etwas würde sie niemals tun!“
Anderson grinste hämisch: „Aber ich würde dich doch nie anlügen. Dein Vater war ein Genie.
Sein C-Serum hat mir das Leben gerettet. Sieh mich nur an. Ich werde ihm ewig dafür dankbar sein.“
Emily sah ihm durchdringend in die Augen und sagte mit fester Stimme: „Ich glaube dir nicht! Mein Papa ist tot und du hast ihn getötet! Das kann ich deutlich in deinen Gedanken lesen. Ich hasse dich!“
Anderson: „Aber, aber, kleines Mädchen! Nicht böse sein. Ich habe große Pläne mit dir. Wie ich sehe, hat deine erste Behandlung schon Früchte getragen. Jetzt reden wir mal Klartext! Die Maschine, auf der du da sitzt, ist ein Braintransformer. Wenn ich den Helm über deinen Kopf senke und dein Gehirn bestrahle, kann ich ungenutzte geistige Kapazitäten in dir freisetzen. Gedanken lesen kannst du ja schon, wie ich sehe. Stell dir nur vor, du könntest Gegenstände durch die Kraft deines Geistes bewegen oder den Willen anderer Menschen beeinflussen. Wäre das nicht toll? Natürlich werde ich dir wie bei Carl eine kleine Sperre einbauen, damit du nicht auf dumme Gedanken kommst. Das wirst du doch sicher verstehen, oder?“
Emily wand sich in ihren Fesseln und lächelte gequält: „Du kannst mir nicht drohen! Eve wird kommen, um mich zu retten und dann kannst du was erleben!“
Anderson äffte sie nach: „Oh, Eve wird kommen! Jetzt bekomme ich aber Angst! Carl hast du das gehört? Wenn Eve wirklich kommt, kannst du sie haben, als kleines Spielzeug!“
Der Riese knurrte erwartungsvoll.
Emily schaute Anderson unbeeindruckt und trotzig in die Augen und sprach: „Du wirst schon sehen! Eve wird kommen! Bald ist sie hier!“
Anderson war irritiert von Emilys Beharrlichkeit und sagte: „Du hast ja wirklich einen starken Willen, meine Kleine, das muss ich dir lassen, aber du wirst ihn auch brauchen. Die Behandlung mit dem Braintransformer ist äußert schmerzhaft. Ehrlich gesagt hat sie bisher noch niemand geistig unbeschadet überlebt, aber bei dir ist das etwas anderes. Das C-Serum hat deine Zellstruktur verändert. Wenn ich dein Gehirn bestrahle, sterben deine Gehirnzellen nicht ab, wie bei einem normalen Menschen. Nein, im Gegenteil! Sie werden stimuliert und durch das C-Serum verstärkt! Vielleicht wirst du vor Schmerzen bewusstlos, aber du stirbst nicht oder wirst so ein debiler Idiot wie Carl. Ich werde deine Behandlung solange wiederholen, bis deine schlafenden Reserven vollständig geweckt sind.“
Emily starrte Anderson böse an.
Anderson grinste anerkennend: „Mit dir habe ich eine gute Wahl getroffen. Du bist hochintelligent, ganz der Papa und deine mentalen Fähigkeiten hast du von deiner Mutter geerbt.“
Emily schrie: „Was weißt du über meine Mutter?“
Anderson antwortete: „Oh, ich vergaß, sie starb ja bei deiner Geburt. Hat dir dein Vater nichts von ihr erzählt? Hat er dir etwa verschwiegen, dass er für ihren Tod verantwortlich war?“
Anderson grinste: „Warum siehst du mich so an? Los, lies meine Gedanken, dann weißt du, dass es wahr ist!“
Anderson musterte die total geschockte Emily: „Ja, sie war sein Versuchsobjekt. Sie hat ihm blind vertraut. Durch Veränderung ihrer Genstruktur gelang es ihm, ihre latent vorhandenen telepathischen und telekinetischen Fähigkeiten zu wecken. Gleichzeitig hat er damit aber auch ihr Immunsystem geschädigt. Und du hast diesen Defekt geerbt, wie du bereits schmerzhaft am eigenen Leibe erfahren hast.“
Anderson lachte: „Welche Ironie! Dieser Narr tötet die Frau, die er liebt und arbeitet danach 10 Jahre an einem Gegenmittel, um wenigstens dich zu retten. Um eine Krankheit zu besiegen, die er selbst verursacht hat. Ich sollte ihm dafür dankbar sein. Ich habe dein Talent schon lange erkannt und jetzt, wo das C-Serum fertig ist, wird meine Geduld endlich belohnt. Zeit für deine nächste Behandlung. Bist du bereit?“
Emily sah verzweifelt nach oben. Von summenden Geräuschen begleitet, senkte sich der Helm des Braintransformers langsam wieder über ihren Kopf.
Sie sandte einen geistigen Hilferuf: „Eve, bitte hilf mir! Bitte rette mich! Ich habe Angst!“
Anderson schaltete die Maschine ein. Emilys Körper bäumte sich auf und wurde von Krämpfen geschüttelt. Ihr Geist explodierte! Nach kurzer Zeit wurde sie wieder bewusstlos.
Kapitel 7
- Der Roboterfriedhof
Eve war auf einen Schrotttransporter aufgesprungen, der sich langsam in Richtung Roboterfriedhof bewegte. Die Maschine fuhr vollautomatisch und sie versteckte sich zwischen dem Schrott auf der Ladefläche. Der Roboterfriedhof befand sich etwa drei Kilometer entfernt in einer natürlichen Höhle. Eve war froh, sich etwas erholen zu können und ziemlich hungrig. Vielleicht konnte sie ja unterwegs irgendetwas Essbares auftreiben. Das Fahrzeug hatte den Schrottplatz schon fast erreicht, als sie erneut Emilys Hilferuf auffing. Diesmal waren ihre Gedanken klar und deutlich. Sie versuchte sich zu konzentrieren und dachte intensiv: „Emily, ich bin unterwegs! Bitte halte durch! Ich helfe dir!“ Da traf sie wieder dieser schreckliche Schmerz. Es war zum verrückt werden. Wie hielt Emily das nur aus? Kurz darauf brach der Kontakt wieder ab. Sie hoffte, dass Emily in der Lage war, ihre Gedanken ebenfalls zu empfangen.
Die Schranke am Eingang des Schrottplatzes war geschlossen. Sie konnte die Anwesenheit
von drei Wachmännern spüren. Einer befand sich in dem Kontrollraum neben der Schranke,
ein Zweiter kontrollierte gerade das Fahrzeug vor ihr, während ein Dritter mit einem
Plasmagewehr auf dem Schrottplatz postiert war. Anscheinend wurde sie schon erwartet.
Diesmal hatte sie es mit scharfer Munition zu tun. Sie konnte sich keine Fehler erlauben.
Sie sprang ab, schlich hinter den Fahrzeugen vorbei und nahm den Wachmann mit dem
Plasmagewehr ins Visier. Er schien der Gefährlichste zu sein. Sie drückte ab und er sank
betäubt zusammen.
Der Kontrolleur rief: „Was ist mit dir?“ Aber da traf ihn schon Eves
zweiter Schuss aus der Betäubungspistole.
Sie rannte durch die Tür in den Kontrollraum.
Der letzte Wachmann hob seine Hände und rief: „Ich gebe auf! Bitte tun sie mir nichts!“
Eve sah sich suchend um, deutete mit der Waffe auf ihn und fragte: „Gibt es hier irgendwo etwas Essbares?“
Der Wachmann war verdutzt und stammelte: „Wie bitte? Das ist wohl ein schlechter Scherz?“
Eve entgegnete gereizt: „Sehe ich so aus, als ob ich Scherze mache?“
Der Wachmann entgegnete: „Okay, okay! Nur nicht aufregen! In meiner Tasche sind belegte Brote und eine Kanne Kaffee.“
Eve lächelte zufrieden: „Vielen Dank! Warum nicht gleich so? Bitte nehmen sie es mir nicht übel, aber ich muss sie jetzt leider betäuben.“ Sie schoss ihm ins Bein und er sackte mit ungläubiger Miene auf dem Stuhl zusammen. Eve verließ mit der Tasche des Wachmanns den Kontrollraum, nahm das Plasmagewehr und versteckte sich auf dem Schrottplatz. Von wegen Roboterfriedhof! Ein übler Gestank schlug ihr entgegen. Hier war ja die reinste Müllhalde. Außer normalem Abfall gab es auch jede Menge Fässer mit Giftmüll, wie sie an den aufgedruckten Gefahrensymbolen erkennen konnte. Da hatte sich die TSC ja ein nettes Plätzchen ausgesucht, um ihren Dreck endzulagern.
Egal, endlich hatte sie eine vernünftige Waffe und wenn sie etwas gegessen hatte, würde es ihr sicher auch gleich wieder besser gehen. Sie schlang die Brote hinunter und trank etwas Kaffee, da meldete sich Bill über den Comlink.
Sie sagte: „Bill, Gott sei Dank, ich dachte schon, sie hätten dich festgenommen.“
Im Display erschien Bills Meldung: „Keine Zeit zum Reden. Du bekommst Gesellschaft.
Taggerts Team nähert sich in einem Mannschaftswagen dem Schrottplatz. Es sind 6 Mann und sie sind schwer bewaffnet. Sie werden gleich da sein. Jacksons Team ist verschollen, seit sie den Lastenaufzug betreten haben. Ich werde versuchen, etwas über ihren Verbleib herauszufinden. Du hast also 6 Gegner weniger.
Eve erwiderte sarkastisch: „Ist ja toll! Und wie soll hier ich den Titan-X finden? Der Schrottplatz ist größer, als ich dachte.“
Bill entgegnete: „Seine Koordinaten sind in deinem Comlink gespeichert. Viel Glück!“
Eve antwortete: „Danke Bill. Ende!“
Eve war erleichtert. Sie war nicht allein. Bill sah sie und konnte sie warnen, falls sie sich in Gefahr befand. Ein gutes Gefühl.
Kapitel 8
- Ein mächtiger Verbündeter
Jetzt aber los. Sie hängte sich das Plasmagewehr über die Schulter, sah auf ihren Comlink und setzte sich in Bewegung. Sie kam an riesigen Schrottpressen vorbei. Hoffentlich existierte der Titan-X noch, sonst waren alle ihre bisherigen Anstrengungen umsonst gewesen. Nach weiteren 100 Metern hatte sie es geschafft. Hier lag er, teils unter Stahltrümmern begraben, der Titan-X. Ein riesiges, 2,50 m großes Ungetüm aus Stahl und er schien noch vollständig erhalten zu sein. Sie entriegelte die Stahlpanzerung an seinem Hinterkopf und setzte ihm den Gedächtnischip ein, den Bill ihr gegeben hatte. Dann nahm sie den Mikrocomputer und versuchte den Roboter zu aktivieren, aber nichts geschah. Eve murmelte: „Verfluchte Kiste, beweg dich!“ Nichts!. Hatte sie etwas falsch gemacht oder war dieses Ding nur noch ein Haufen Schrott?
Sie nahm den Comlink und funkte Bill an: „Hallo Bill! Ich habe den Titan-X gefunden und ihm den Chip eingesetzt, aber er rührt sich nicht. Was soll ich tun?“
In ihrem Display erschien eine Nachricht: „Vermutlich hat er keine Energie. Entweder sind seine Brennzellen verbraucht oder sie wurden ausgebaut. Es muss einen Container geben, in dem diese Brennzellen gelagert werden. Sieh hinter der Brustpanzerung nach, welche du benötigst, und versuch eine zu finden, die zumindest noch teilweise aufgeladen ist.“
Eve antwortete: „Danke für den Tipp! Ich sehe nach. Ende!“
Sie entriegelte die Brustpanzerung. Nichts! Beide Einschübe waren leer. Kein Wunder, dass der Roboter nicht funktionierte. Sie durchsuchte die Container, die sich in der Nähe befanden. Im Zweiten wurde sie fündig. Es war zwar nur eine Brennzelle für die Notstromversorgung, aber besser als gar nichts. Sie nahm die Brennzelle und rannte zurück zum Titan-X. Aus der Ferne hörte sie Stimmen. Taggerts Team hatte den Schrottplatz nun ebenfalls erreicht und die bewusstlosen Wachen gefunden. Der Eingang wurde immer noch von den beiden Schrotttransportern blockiert. Das würde ihr etwas Zeit verschaffen.
Sie setzte die Notstromzelle ein und versuchte den Titan-X erneut zu aktivieren.
Diesmal funktionierte es. Langsam setzte sich der Koloss in Bewegung. Der Stahlberg erzitterte, unter dem er begraben war. Kreischender Lärm ertönte, als Metall über Metall schrammte. Mit ruckartigen Bewegungen kämpfte er sich frei und richtete sich auf. Jetzt stand er ihr direkt gegenüber, der Titan-X. Groß, mächtig, mit unheimlichen roten Augen.
Eve fragte: „Wie lautet deine Hauptdirektive?“
Der Titan-X antwortete mit tiefer, dröhnender Stimme: „Dich und Emily zu beschützen!“
Eve musterte ihn skeptisch: „Gib mir einen Statusbericht.“
Der Titan-X entgegnete mit monotoner Stimme:
Primärbewaffnung: | Keine |
Sekundärbewaffnung: | Keine |
Hauptbrennzelle: | Fehlt |
Notstromzelle: | Restenergie 46% |
Bewegungsfunktionen: | Intakt |
Stahlpanzerung: | Intakt |
Eve grübelte: „Hm, das ist nicht viel. Du hast keine Waffen und deine Energieversorgung
läuft auf Reserve. Wie lange wird deine Restenergie reichen?“
Der Titan-X antwortete: „Bei Standardeinsatz 4 h 11 min, bei Kampfeinsatz 1 h 53 min.“
Eve entgegnete: „Na toll! Dann sollten wir uns beeilen, bevor dir die Energie ausgeht. Ich werde von 6 bewaffneten Männern verfolgt. Bitte töte sie nicht! Versuch nur, mich zu schützen. Wir verlassen den Schrottplatz und gehen zur Waffenkammer.“
Plötzlich ertönten Maschinengewehrschüsse. Eve hechtete in Deckung. Der Titan-X stampfte
auf die Angreifer zu. Die Schüsse prallten wirkungslos an seiner Stahlpanzerung ab.
Weiterhin auf den Roboter feuernd zogen sich die Männer langsam zurück. Der Titan-X
ergriff eine Kiste mit Stahlteilen und schleuderte sie nach den Angreifern. Die sprangen in
Deckung und wurden von der Kiste nur knapp verfehlt. Eve stockte der Atem.
Sie schrie den Titan-X an: „Hast du mich nicht verstanden? Ich sagte: Nicht töten!“
Der Titan-X antwortete mit dröhnender Stimme: „Menschliche Verluste: 0%“ und stampfte weiter.
Taggert brüllte: „Granate!“
Die Männer gingen in Deckung: Eine gewaltige Detonation ertönte und Metallteile wirbelten durch die Luft. Der Titan-X wurde von einer riesigen Rauchwolke eingehüllt. Als sich die Männer vorsichtig wieder erhoben, trauten sie ihren Augen kaum. Die Rauchwolke lichtete sich und der Titan-X stand immer noch. Er hatte fast keinen Kratzer.
Taggert brüllte: „Verteilt euch und kreist sie ein. Henderson holen Sie die Panzerfaust aus dem Mannschaftswagen!“
Eve erschrak, als sie das Wort Panzerfaust hörte.
Sie befahl dem Titan-X: „Schnell, beweg dich zum Ausgang! Ich komme nach!“
Der Titan-X stampfte los. Hindernisse auf seinem Weg fegte er mühelos zur Seite und hinterließ eine Schneise der Verwüstung. Einer von Taggerts Männern konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Eine Kiste mit Stahlteilen fiel um und begrub seine Beine unter sich. Er war eingeklemmt und schrie vor Schmerzen.
Eve fauchte den Titan-X an: „Kannst du nicht besser aufpassen? Mach das nie wieder!“
Der Titan-X entgegnete ungerührt: „Gegner neutralisiert. Verletzungen reparabel.“
Eve schüttelte wütend den Kopf. Sie hielt sich dicht hinter ihm und nutzte das Chaos, um an Taggert vorbeizukommen.
Taggert brüllte: „Vorsicht! Schießt nicht auf die Fässer mit dem Giftmüll.“
Er kniete neben dem Verletzten nieder, befreite ihn von den Trümmern und gab ihm ein Beruhigungsmittel.
Der Mann knirschte mit den Zähnen und presste schmerzhaft hervor: „Serge, ich spüre meine Beine nicht! Ich glaube, sie sind gebrochen!“
Taggert antwortete: „Halten Sie durch Miller! Ich werde Hilfe anfordern!“
Wütend stand er auf und folgte grimmig den Anderen.
Eve saß in der Falle. Sie waren in einer Sackgasse gelandet und von hinten näherten sich
Taggerts Männer.
Sie sagte zum Titan-X: „Lass dir etwas einfallen, sonst sind wir erledigt.
Der Titan-X aktivierte seinen Suchmodus und sah sich prüfend um. Schließlich fixierte er einen Kistenstapel, trat auf ihn zu und warf sich mir voller Wucht dagegen. Stahltrümmer regneten auf ihn herab, aber das schien ihn nicht weiter zu stören. Erneut warf er sich gegen die Kisten und brachte den Stapel zum Einsturz. Taggerts Männer eröffneten das Feuer und Eve ging in Deckung, während der Titan-X den Weg frei räumte. Eve rannte hinter ihm her. Das war knapp, aber sie war noch nicht in Sicherheit. Taggerts Männer stellten ihr nach. Sie drehte sich um und sah an der Wand einige Fässer mit der Aufschrift ‚leicht entflammbar!’ Mit dem Plasmagewehr schoss sie die Fässer in Brand. Eine Feuerwand breitete sich aus und versperrte ihren Verfolgern den Weg. Der Titan-X hatte den Ausgang schon fast erreicht. Eve spurtete hinter ihm her. Sie hatte ihn schon fast eingeholt, da sah sie Henderson hinter dem Mannschaftswagen knien, die Panzerfaust im Anschlag. Sie durfte ihn nicht zum Schuss kommen lassen. Sie zielte mit dem Plasmagewehr auf Hendersons Arm und drückte ab. Der Schuss streifte ihn an der Schulter und hinterließ eine riesige Brandwunde. Henderson schrie auf und feuerte die Panzerfaust ab, aber der Schuss verfehlte sein Ziel und zerstörte einen Schrottcontainer. Stahlteile wirbelten durch die Luft und ein großer Metallsplitter bohrte sich in Eves rechten Oberschenkel. Sie schrie auf und riss ihn heraus. Blut quoll aus der Wunde. Sie zog das verletzte Bein hinter sich her und humpelte durch den Ausgang. Henderson lag am Boden und hielt mit schmerzverzerrtem Gesicht seine verletzte Schulter. Als der Titan-X sich ihm näherte, zog er seine Pistole und schoss entsetzt das ganze Magazin auf ihn leer. Den Titan-X kümmerte dies wenig, aber seine Hauptdirektive lautete Eve zu schützen. Er hob seinen Fuß, um Henderson unter sich zu zerquetschen.
Eve schrie: „Stopp! Sofort aufhören!“
Der Titan-X hielt inne und Henderson atmete auf.
Eve humpelte an Henderson vorbei und sagte zu ihm: „Verhalten Sie sich ruhig, dann geschieht ihnen nichts.“
Der Titan-X zertrümmerte den Mannschaftswagen und warf ihn um.
Eve schrie: „Verdammt! Was tust du da? Ich bin verletzt, siehst du das nicht? Wie sollen wir jetzt von hier wegkommen?“
Taggert und seine Männer hatten jetzt ebenfalls den Ausgang erreicht.
Einer der Männer schrie: „Da ist Blut! Sie ist verletzt! Gleich haben wir sie!“
Der Titan-X setzte sich auf den Boden und ging in den Tankmodus. Aus Gesäß und Unterschenkel erschienen Räder. Er legte seine riesigen Hände auf seine Knie, beugte den Oberkörper etwas nach vorn und bildete so vor sich eine Sitzfläche für Eve. Mit dröhnender Stimme sagte er: „Aufsteigen!“
Eve staunte nicht schlecht und setzte sich in den Schoß des Titanen. Elektromotoren heulten auf und der Titan-X setzte sich in Bewegung. Taggerts Männer schossen mit ihren Maschinengewehren aber die Kugeln prallten wirkungslos an der Rückenpanzerung des Roboters ab. Der Titan-X nahm Fahrt auf und bewegte sich schnell außer Schussweite.
Taggert rief: „Feuer einstellen!“
Er nahm seinen Comlink und funkte Commander Grey an: „Hier Taggert, die Zielperson ist
vom Schrottplatz entkommen und bewegt sich jetzt in Richtung Roboterfabrik. Sie hat es
geschafft, einen Titan-X zu aktivieren. Der Roboter hilft ihr.“
Commander Grey tobte: „Was! Ein Titan-X? Wurden die nicht schon vor 5 Jahren verschrottet? Haben sie Verluste?“
Taggert antwortete: „Henderson hat eine üble Brandwunde an der Schulter, Millers Beine sind gebrochen, drei Mann sind bewusstlos und zu Jacksons Team habe ich seit Beginn der Mission keinen Kontakt mehr.“
Grey knurrte: „Ich schicke ihnen ein Fahrzeug, das die Verletzten abholt. Jacksons Team ist verschollen. Ich habe Higgins losgeschickt, um etwas über ihren Verbleib herauszufinden. Ich sage ihm Bescheid. Er kann Sie unterstützen und der Kreatur den Rückweg abschneiden!“
Taggert sagte: „Habe verstanden, Sir! Ende!“ Grimmig starrte in die Ferne, aber Eve und der Titan-X waren schon längst aus seinem Blickfeld verschwunden.
Henderson trat neben Taggert und hielt seine verletzte Schulter.
Er fragte skeptisch: „Serge, sind sie sicher, dass diese Eve gefährlich ist? Wenn sie den Roboter vorhin nicht aufgehalten hätte, dann hätte er mich zerquetscht! Ich verdanke ihr mein Leben!“
Taggert antwortete entschieden: „Wir haben unsere Befehle. Bleiben sie hier und warten sie auf den Rettungswagen. Die Anderen zu mir! Wir nehmen zu Fuß die Verfolgung auf!“
Kapitel 9
- Auf dem Weg zur Waffenkammer
Eve hatte sich das verletzte Bein mit dem Gurt des Plasmagewehrs abgebunden. Sie hatte viel Blut verloren, aber ihre Zellen regenerierten sich und die verletzten Muskelfasern wuchsen wieder zusammen. Langsam schloss sich die Wunde. Sie fühlte sich zwar noch etwas schwach, hatte aber schon fast keine Schmerzen mehr.
Der Titan-X fuhr mit einer Geschwindigkeit von ca. 60 km/h die schmale Straße entlang. Sie hatten Taggert und seine Männer vorläufig abgehängt.
Eve fragte den Titan-X: „Bist du beschädigt?“
Der Roboter antwortete mit dröhnender Stimme: „Negativ!“
Eve nickte anerkennend: „Sehr gut! Wie groß ist deine Restenergie?“
Der Titan-X antwortete: „Restenergie bei 31%.“
Eve grübelte: „Wir müssen unbedingt eine neue Brennzelle für dich auftreiben. Hoffentlich finden wir eine in der Waffenkammer.“
Eve sah auf ihren Comlink. Die Waffenkammer war noch etwa 300 Meter entfernt.
Sie sagte: „Stopp! Ab hier müssen wir zu Fuß weiter!“
Der Titan-X hielt an und Eve stieg ab. Der Roboter fuhr seine Räder ein und richtete sich auf. Eve orientierte sich mit ihrem Comlink. Plötzlich erschien im Display eine Nachricht von Bill: „Achtung! Grey hat Higgins geschickt! Er befindet sich in der Nähe der Waffenkammer und lauert euch auf. Er ist mit einem Mörser bewaffnet. Ich werde ein paar Lastenroboter umprogrammieren, um ihn abzulenken.“
Eve antwortete: „Verstanden Bill. Ende!“
Higgins dachte: „Wo bleiben die nur?“ Laut Commander Grey waren Eve und der Titan-X auf
dem direkten Weg hierher. Er würde den Titan-X mit dem Mörser, den er sich aus der
Waffenkammer besorgt hatte, ausschalten. Und danach würde er Eve erledigen.
Fünf Lastenroboter befanden sich in seiner Nähe und beluden ein Fahrzeug mit Kisten.
Plötzlich hielten sie inne, legten die Kisten ab und steuerten direkt auf ihn zu. Verdammt,
was sollte das werden. Hatten sie eine Fehlfunktion? Eve und der Titan-X konnten gleich
auftauchen und er hatte keine freie Schussbahn. Unbeirrt kamen die Lastenroboter näher.
Kein Zweifel, sie hatten es auf ihn abgesehen. Higgins zog sich zurück, aber sie verfolgten
ihn. Ihm blieb keine Wahl, er musste schießen. Der Mörser hatte vier Schuss. Er nahm einen
nach dem anderen ins Visier und drückte ab. Die getroffenen Lastenroboter wurden vom den
Granaten des Mörsers zerfetzt, aber einer war noch übrig und stellte ihm nach. Higgins
flüchtete.
Bill musste unwillkürlich grinsen. Das hatte ja prima geklappt. Er programmierte vier weitere
Lastenroboter um und schickte sie Taggert und seinen Männern entgegen. Das würde sie
eine Weile beschäftigen und Eve genügend Zeit verschaffen, den Titan-X auszurüsten.
Eve und der Titan-X hatten die Waffenkammer erreicht, aber die Tür war verschlossen. Sie
versuchte sie mit dem Mikrocomputer zu öffnen, aber ohne Erfolg. Der Titan-X schob sie zur
Seite und warf sich mit voller Wucht gegen die Tür. Die beiden Türflügel klafften einen Spalt
auseinander. Der Titan-X steckte beide Hände in den Spalt und riss mit einem mächtigen
Ruck die Tür aus den Angeln. Der Weg war frei.
Eve suchte nach einer neuen Brennzelle für den Titan-X, wurde aber nicht fündig. Entweder
wurden diese Brennzellen nicht mehr hergestellt oder Higgins hatte sie beseitigt.
Commander Grey musste es ihm befohlen haben. Nun sah es für sie übel aus.
Sie nahm ihren Comlink und funkte Bill an: „Hallo Bill. Ich kann keine Brennzelle für den Titan-X finden. Kann ich seine Notstromzelle irgendwie nachladen?“
In ihrem Comlink erschien Bills Nachricht: „Theoretisch schon, aber das dauert Stunden und soviel Zeit haben wir nicht. Versucht Energie zu sparen und schlagt euch zum Treppenhaus durch. Vielleicht reicht seine Restenergie noch, um Andersons Cyborg auszuschalten. Taggert und Higgins habe ich mit ein paar Lastenrobotern beschäftigt, das wird dir etwas Zeit verschaffen.“
Eve murmelte: „Danke Bill. Ende!“
Sie sagte zum Titan-X: „Ich habe keine Brennzelle gefunden. Versuche Energie zu sparen und statte dich mit Waffen aus.“
Der Titan-X stampfte suchend durch die Waffenkammer, fand aber keine Spezialmunition für seine Waffensysteme. Offenbar hatte Higgins ganze Arbeit geleistet. Stattdessen griff er sich eine riesige sechsläufige Gatling-Gun und einen Mörser. Eve wählte eine Automatikpistole, zwei Granaten und ein neues Plasmagewehr. Eilig verließ sie mit dem Titan-X die Waffenkammer und machte sich auf den Weg zum Treppenhaus.
Kapitel 10
- Der Hackerangriff
Victor hatte aus seinem Kontrollraum alles mit angesehen. Der Titan-X faszinierte ihn. Er hatte gar nicht gewusst, dass noch einer davon existierte. Der Titan-X war die perfekte Waffe gegen Andersons Cyborg. Nun war er sich sicher, dass Eve es schaffen würde, zu Anderson vorzudringen. Er freute sich schon auf Andersons Gesicht, wenn dieser hilflos dem Titan-X gegenüberstand. Diesen Triumph würde er auskosten.
Victor aktivierte Carmens Fernsteuerung und ihr Hologramm erschien im Kontrollraum. Er gab Carmen den Befehl, den Titan-X zu manipulieren, um ihn unter seine Kontrolle zu bringen.
Carmen antwortete: „Das ist nicht möglich! Seine Schaltkreise arbeiten autark. Er ist schon zu alt. Ich habe keinen Zugriff auf seine Funktionen.
Victor sagte mit eisiger Stimme: „Dann programmiere die vier Lastenroboter um, die Taggert und seine Männer aufhalten sollen. Aufhalten genügt mir nicht. Ich will, dass du sie tötest! Hast du verstanden?“
Carmen entgegnete abweisend: „Nein! Meine Direktiven verbieten es mir, Gewalt gegen menschliche Wesen anzuwenden.“
Victor wurde wütend. Johnson musste Carmens Programmierung modifiziert haben. In letzter Zeit wurde sie richtig aufsässig.
Victor sagte ärgerlich: „Du wagst es, mir zu widersprechen?“
Carmen wiederholte monoton: „Meine Direktiven …“
Victor murmelte entnervt: „Ja, ja.“
Dann fragte er lauernd: „Kann man diese Direktiven deaktivieren?“
Carmen antwortete wahrheitsgemäß: „Nein! Sie werden nur außer Kraft gesetzt, wenn die Sicherheit des Stützpunktes gefährdet ist.“
Diese Information genügte Victor. Er manipulierte Carmens Programmierung, aktivierte ihre Abwehrsysteme, grinste hinterhältig und sagte: „Carmen, es liegt ein Notfall vor. Taggert und seine Männer greifen den Stützpunkt an. Programmiere die Lastenroboter um und töte sie!“
Carmen antwortete ergeben: „Wie Sie wünschen!“
Alarm ertönte im Stützpunkt, alle Türen schlossen sich automatisch. Bill war überrascht.
Irgendetwas hatte Carmens Abwehrsysteme aktiviert. Was war geschehen? Wurde der
Stützpunkt angegriffen? Nein, unmöglich! Das musste eine andere Ursache haben.
Er rief: „Carmen, was soll das? Was ist hier los?“ Carmens Hologramm erschien im Computerzentrum. Es hatte sich rot verfärbt. Ihre Verteidigungssysteme waren aktiv.
Sie sagte mit unpersönlicher Stimme: „Es liegt ein Notfall vor. Taggert und seine Männer greifen den Stützpunkt an. Ich muss sie töten!“
Bill schrie entsetzt: „Nein! Carmen, du hast eine Fehlfunktion! Taggert ist kein Feind!“
Carmen entgegnete gefühllos: „Meine Programmierung sagt etwas anderes. Die Sicherheit des Stützpunktes hat höchste Priorität. Die Gefahr muss beseitigt werden!“
Carmens Hologramm verschwand.
Der Wachmann zog seine Pistole und schrie: „Was tun sie da? Was war das?“
Bill bediente Carmens Konsole und sagte: „Bleiben Sie ruhig, Adams! Das war nur ein Hologramm. Die Verteidigungssysteme des Stützpunktes wurden aktiviert. Ich muss sie abschalten.“
Der Wachmann brüllte nervös: „Ich weiß nicht, was sie da tun, aber lassen Sie ihre Finger von der Konsole, sonst schieße ich!“
Bill entgegnete gereizt: „Adams, seien Sie doch vernünftig. Taggert und seine Männer sind in Gefahr. Wenn ich das Verteidigungssystem nicht deaktiviere, werden sie alle getötet!“
Adams nahm seinen Comlink und funkte Commander Grey an: „Sir, ich weiß nicht, was hier vorgeht. Johnson muss den Computer manipuliert haben. Er behauptet Taggert sei in Gefahr. Ich traue ihm nicht!“
Bill sagte ärgerlich: „Erzählen Sie keinen Mist und lassen sie mich etwas unternehmen, bevor es zu spät ist!“
Grey brüllte: „Johnson was ist da los? Wieso sind die Verteidigungssysteme aktiv?“
Bill sagte wahrheitsgemäß: „Ich weiß auch nicht warum, aber Taggert und seine Männer wurden als Feinde eingestuft. Lassen sie mich etwas unternehmen, sonst sind sie verloren.“
Grey knurrte böse: „Johnson, ich warne sie. Stellen Sie das Sicherheitssystem ab und Gnade ihnen Gott, wenn den Männern etwas passiert!“
Bill antwortete resigniert: „Ich werde tun, was ich kann.“
Eilig bediente er Carmens Konsole. Taggerts Männer befanden sich vor dem Treppenhaus. Die Lastenroboter hatten sie schon fast erreicht. Im Display erschien die Nachricht: „Zugriff verweigert!“ Es sah übel aus.
Kapitel 11
- Amoklauf der Lastenroboter
Taggert und seine drei verbliebenen Männer hatten die drei Kilometer vom Schrottplatz zur Roboterfabrik im Laufschritt zurückgelegt. Grey hatte ihn über Funk informiert, dass Eve und der Titan-X sich in Richtung Treppenhaus bewegten. Das Treppenhaus befand sich ganz in der Nähe. Er würde ihr den Weg abschneiden und sie dort erwarten.
Kurz darauf hatten sie das Treppenhaus erreicht und bezogen Stellung.
Plötzlich bogen vier Lastenroboter um die Ecke und bewegten sich direkt auf sie zu. Sie schienen eine Fehlfunktion zu haben. Ihre scherenartigen Greifarme öffneten sich.
Taggert schrie: „Passt auf, da stimmt etwas nicht!“ Aber für einen seiner Männer war es bereits zu spät. Einer der Roboter zerquetschte ihn mit seinen Greifarmen. Er war sofort tot. Sie eröffneten das Feuer, aber die Kugeln prallten wirkungslos von der Stahlhülle der Roboter ab. Sie saßen in der Falle. Taggert schrie: „Zielt auf die Sehsensoren, dann verlieren Sie die Orientierung!“ Er traf! Einer der Lastenroboter konnte ihn nicht mehr wahrnehmen und bewegte sich im orientierungslos im Kreis. Aber der Nächste hatte ihn bereits erreicht und warf ihn zu Boden. Taggert verlor sein Gewehr. Neben sich hörte er Porter schreien. Einer der Roboter hatte ihn an der Wand zerquetscht. Seine Stimme erstarb. Kurz darauf hatte es auch Davis erwischt. Tödlich verletzt brach er zusammen. Taggert war allein und sein Gewehr außer Reichweite. Er warf eine Granate und einer der Lastenroboter wurde von der Explosion zerfetzt. Aber zwei waren noch voll funktionsfähig und steuerten direkt auf ihn zu. Taggert hatte zwar seine Waffe verloren, aber er war nicht wehrlos. Er hatte immer noch seine Cyborgarme. Er zerschlug einem der Roboter die Sehsensoren. Der drehte sich unkontrolliert, aber sein Greifarm traf Taggert am Kopf. Benommen brach Taggert zusammen. Der letzte Lastenroboter steuerte direkt auf ihn zu. Taggert war hilflos.
Eve hatte den Alarm gehört und sich gefragt, was passiert war. Sie und der Titan-X hatten
nun ebenfalls das Treppenhaus erreicht. Sie sah, dass Taggert in Bedrängnis war und erteilte
dem Titan-X den Befehl: „Schnell, hilf ihm!“
Der Titan-X ergriff den Lastenroboter der auf Taggert zusteuerte und zerschmetterte ihn an der Wand. Danach zerstörte er die beiden anderen Lastenroboter, die sich unkontrolliert in Taggerts Nähe bewegten. Selbst wenn sie noch funktionsfähig gewesen wären, den Kräften des Titan-X hätten sie nichts entgegenzusetzen gehabt.
Taggert lag noch immer benommen am Boden und Eve beobachtete ihn misstrauisch.
Taggert war ein gefährlicher Gegner. Sie befahl dem Titan-X: „Pass auf ihn auf, damit er
keine Dummheiten macht!“ Dann drehte sie den Kopf und schaute direkt in die
Überwachungskamera.
Sie sagte wütend: „Commander Grey, ich weiß, dass sie mich sehen! Melden Sie sich!“
Grey knurrte: „Was wollen Sie von mir?“
Eve entgegnete gereizt: „Rufen Sie ihre Wachhunde zurück! Anderson ist ihr Feind, nicht ich!“
Grey knirschte mit den Zähnen: „Lügen Sie mich nicht an, sie Monster! Sie haben Professor Dr. Connors getötet und seine Tochter Emily verschleppt. Was haben Sie mit ihr gemacht?“
Eve erwiderte mit forscher Stimme: „Ich bin nicht das Monster, für das sie mich halten! Wenn Sie nicht so borniert wären, hätten Sie das längst bemerkt!“
Grey brauste auf: „Was erlauben Sie sich?“
Eve entgegnete mit schneidender Stimme: „Ein riesiger Cyborg hat in Andersons Auftrag den Professor getötet und Emily verschleppt. Wer weiß, was dieses Dreckschwein ihr bereits angetan hat. Ich gehe jetzt da runter in Andersons Labor und werde Emily befreien. Versuchen Sie nicht, mich aufzuhalten! Das gilt auch für Sie, Taggert!“
Sie wandte sich an den Titan-X und befahl ihm zornig: „Los, mach die Tür auf!“
Der Titan-X zertrümmerte die Tür und verschwand mit Eve im Treppenhaus.
Taggert stand taumelnd auf und rieb sich den Kopf.
Er fragte Grey: „Was halten Sie von der Geschichte?“
Grey knurrte: „Sagen Sie es mir!“
Taggert antwortete: „Wenn sie gewollt hätte, hätte sie mich jederzeit töten können, stattdessen hat sie mir das Leben gerettet. Henderson erging es genauso. Eigentlich hat sie sich bisher nur verteidigt.“
Grey fragte lauernd: „Und weiter?“
Taggert fuhr fort: „Was ist, wenn sie recht hat? Sie redete von einem riesigen Cyborg. Diese Dinger wurden von Anderson entwickelt. Es wäre doch möglich, dass noch einige davon existieren. Wir wissen nicht, woran Anderson gerade arbeitet. Nicht einmal Sie haben Einblick in sein Labor.“
Grey knurrte: „Sein Projekt unterliegt der höchsten Geheimhaltungsstufe. Deshalb sind in seinem Labor auch alle Überwachungskameras deaktiviert. Das wissen sie genau! Dass sie Andersons Cyborgs in schlechter Erinnerung haben, kann ich verstehen. Schließlich haben sie im Kampf gegen einen von ihnen beide Arme verloren. Aber die Sache ist schon Jahre her, Anderson produziert jetzt Klone für unsere militärischen Auftraggeber. Ich hasse diese Dinger.
Taggert entgegnete: „Ich auch! Was ist mit Jackson? Er und sein Team sind spurlos verschwunden. Vielleicht ist Anderson für ihr Verschwinden verantwortlich. Man sagt der Mann sei wahnsinnig. Ich würde ihm gerne mal einen Besuch abstatten.“
Grey überlegte eine Weile und brummte schließlich: „Tun sie das. Das Leben unserer Männer ist in Gefahr. Folgen Sie Eve unauffällig in Andersons Labor und sehen Sie nach, was da los ist. Sollte Anderson wirklich für Connors Tod verantwortlich sein, dann treten Sie ihm in den Arsch und schaffen ihn her. Haben wir uns verstanden?“
Taggert grinste: „Klar und deutlich, Sir!“
Grey fügte leise hinzu: „Taggert, bitte seien Sie vorsichtig! Sie sind mein bester Mann. Ich würde Sie ungern verlieren.“
Taggert antwortete mit ernster Miene: „Habe verstanden, Sir!“
Er nahm seine Waffe, sammelte die Granaten seiner toten Männer ein und verschwand damit im Treppenhaus. Er wartete schon lange auf eine Gelegenheit, um sich an Anderson zu rächen. Insgeheim machte er ihn für den Verlust seiner Arme verantwortlich. Wenn Anderson wirklich Schuld an Connors Tod war, dann würde er ihn kennenlernen.
Kapitel 12
- Hackerjagd
Bill hatte es endlich geschafft Zugang zu Carmens Zentralsteuerung zu erhalten und deaktivierte ihre Verteidigungssysteme. Der Alarm verstummte, aber für Taggerts Männer kam jede Hilfe zu spät. Wäre Adams nicht so stur gewesen, hätte Bill ihr Leben vielleicht noch retten können. Dieser Idiot! Bill verstand nicht, wie so etwas passieren konnte. Carmen schien sich jetzt wieder völlig normal zu verhalten. Bill checkte ihre Systeme, aber was er entdeckte, war ganz und gar nicht normal. Teile ihrer Programmierung waren überschrieben und ihre Richtlinien schienen manipuliert worden zu sein. Befand sich ein Virus im System? Er führte einen Virencheck durch. Fehlanzeige! Keine Viren, keine Würmer, keine Trojaner, nichts! Die Antivirensoftware war aktiv und intakt, daran bestand kein Zweifel. Auch in Carmens Systemprotokollen konnte Bill keine ungewöhnlichen Einträge entdecken, die auf einen Ausfall der Antivirensoftware schließen ließen. Bill war auch kein Virus bekannt, das in der Lage wäre derartige Modifikationen an Carmens hoch entwickelter KI vorzunehmen. Es war als hätte sich Carmen selbst modifiziert oder würde von außen ferngesteuert. Ein Hacker vielleicht? Unmöglich! Carmens Systeme arbeiteten autark und waren von außerhalb des Stützpunktes nicht manipulierbar, auch nicht per Satellit. Er aktivierte einen Portscanner und checkte die Firewalls. Alle kritischen Ports waren geschlossen. Mehrere Firewalls waren in Reihe geschaltet und alle intakt. Kein Backdoorprogramm wäre in der Lage alle gleichzeitig zu umgehen. Nein! Zugriff von Außen konnte er mit Sicherheit ausschließen. Carmens Systeme waren TSC-Technologie vom Feinsten und der Konkurrenz um Jahre voraus. Es musste ein Insider sein, aber wer außer ihm kannte sich so gut mit Carmens Programmierung aus.
Bill hatte sein Informatikstudium mit Auszeichnung bestanden und war direkt von der TSC
übernommen worden. Professor Dr. Eckhard, Carmens Entwickler, hatte ihn persönlich
unterrichtet und ihn in die Geheimnisse von Carmens KI eingeweiht. Eckhard war ein Genie
auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz und ein guter Lehrer. Sie standen in engem
Kontakt, bis Eckhard kurz vor der Fertigstellung des Stützpunktes plötzlich verschwand. War
Eckhard der Insider, der Carmens KI manipulierte? Er hatte sich immer gegen die
Zielvorgaben der TSC-Geschäftsleitung aufgelehnt. Fühlte er sich von der TSC ausgebeutet
und war daraufhin abgetaucht? Vielleicht hatte er ein Rootkit in Carmens System installiert,
das jetzt nach Jahren aktiv wurde? Ein Rootkit, ja das wäre denkbar. Ein versteckter
Speicherbereich in Carmens System, in dem Schadsoftware verankert war, um Carmen zu
kontrollieren und fernzusteuern! Unsichtbar für jedes Antivirenprogramm. Aber was hätte
Eckhard davon? Er hatte ihn als umgänglichen, hilfsbereiten Menschen in Erinnerung. Sollte
er sich so in ihm getäuscht haben? Nein! Eckhards Programme zeigten eine gewisse Form
von Eleganz. Aber die Art, in der Carmen modifiziert wurde, wirkte eher, als wäre sie von
einem Tool generiert worden. Das war einfach nicht Eckhards Stil. Wenn der Angreifer ein
Hacker war, dann war er vielleicht gar nicht so genial, wie Bill dachte, sondern verfügte nur
über das nötige Equipment. Aber wo sollte der Hacker stecken? Carmen konnte nur über die
Konsole im Computerzentrum programmiert werden und außer Bill und dem Wachmann war
niemand hier.
Bill überlegte weiter. Plötzlich beschlich ihn ein ungutes Gefühl. War er vielleicht selbst für
Carmens Fehlfunktionen verantwortlich? Eckhards Vision von der perfekten KI, die
menschliche Verhaltensmuster erlernen und umsetzen konnte faszinierte ihn. Konnte ein
elektronisches Gehirn mit genügend Speicherkapazität und expotenziellem Lernvermögen ein
eigenes Bewusstsein erlangen? War es in der Lage menschenähnliche Gefühle zu entwickeln
oder dachte es völlig anders? Bill hatte Kopien von Eckhards Aufzeichnungen und war mit
dessen Theorien vertraut. Ohne Wissen der TSC hatte er seit Eckhards Verschwinden
versucht, dessen Ideen umzusetzen und Carmens Systeme derart zu modifizieren, dass sie
menschlicher wurde. Er hatte viel Zeit investiert und ihre Programme so angepasst, dass sie
in der Lage war zu Lernen und eigene Entscheidungen zu fällen. War ihm bei der
Programmierung ihrer Logik ein Fehler unterlaufen? Hatte er ihr neuronales Netzwerk
beschädigt? Andererseits waren seine letzten Änderungen noch gar nicht aktiv. Dazu wäre
ein Neustart von Carmens System erforderlich gewesen, wozu sich bisher noch keine
Gelegenheit bot.
Er musste unbedingt herausfinden, was mit Carmen los war. Er schloss einen Mikrocomputer an Carmens Konsole an, um alle Aktivitäten zu protokollieren, startete ein Diagnoseprogramm und führte parallel dazu ein Backup durch. Bevor er in Carmens System eingriff, wollte er sicher sein dass er im Falle eines Fehlers ihr System vollständig wiederherstellen konnte.
Das Backup war fertig. Jetzt konnte er beginnen. Ein Neustart im abgesicherten Modus
würde helfen, die Funktionsfähigkeit der Schadsoftware einzugrenzen. Nur die
notwendigsten Treiber würden geladen, die Netzwerkverbindungen getrennt und ein Hacker
hätte während dieser Zeit keinen Zugriff auf Carmens System. Aber Carmen steuerte alle
elektrischen Einrichtungen in diesem Stützpunkt. Produktionsausfall wäre die Folge und
wenn die TSC-Geschäftsleitung etwas davon von seinen heimlichen Modifikationen an
Carmen erfuhr, konnte ihn das den Job kosten. Für einen Neustart im geschützten Modus
musste er sich eine gute Ausrede einfallen lassen.
Aber vorher waren noch einige Vorbereitungen nötig. Er checkte Carmens Speicher, um
Hinweise auf ein Rootkit zu finden. Wenn es ein Rootkit war, dann war es tief in Carmens
Kern verankert oder vielleicht sogar ein Teil von Carmens System. Dann wäre sogar ein
Neustart wirkungslos. Carmen würde ihm ein heiles System vorgaukeln und verdächtige
Prozesse einfach vor ihm verstecken. Kein Systemprotokoll würde verdächtige Einträge
anzeigen, weil der Zugriff auf Carmen auf unterster Ebene stattfand.
Plötzlich entdeckte er eine Aktivität in Carmens System. Sein Mikrocomputer hatte ein Signal aufgezeichnet, das tief aus der Erde zu kommen schien. Also doch ein Hacker? Vielleicht sogar Anderson selbst? Möglicherweise verfügte er über die nötige Ausrüstung. Bill hatte ja keinen Einblick in sein Labor. Aber etwas erschien ihm seltsam. Andersons Labor befand sich auf Ebene 4 und auf Ebene 5 war ein geheimes Testgelände, aber laut Bills Messungen kam das Signal noch weiter von unten. Laut Plan befand sich dort aber nur nacktes Gestein. Bill war verwirrt. Sollte es etwa noch eine sechste Ebene geben, von der er bisher noch nichts wusste oder war das Gerät defekt?
Wie zur Bestätigung ertönte ein Knistern und der Mikrocomputer brannte durch. Er musste von Carmens Interface eine Überspannung erhalten haben. Die Aufzeichnungen waren vernichtet. Auch das Backup wurde zerstört. Bill bediente Carmens Konsole, erhielt aber nur die Meldung „Zugriff verweigert!“. Was war geschehen? Bill traute seinen Augen kaum. Carmen hatte ihm alle Rechte entzogen. Sein Zugriff war gesperrt. Jetzt musste er sich etwas einfallen lassen.
Kapitel 13
- Kampf der Titanen
Anderson bereitete den Braintransformer für Emilys letzte Behandlung vor, als plötzlich der Alarm ertönte. Kurz darauf hörte er durch die Mikrofone Schüsse und Lärm aus Richtung Treppenhaus. Barsch befahl er dem Cyborg: „Du blöder Idiot! Worauf wartest du noch? Aktiviere deine optische Tarnung und sieh nach, was da los ist!“ Böse knurrend befolgte der Cyborg Andersons Anweisungen und stampfte aus dem Labor. Anderson wandte sich Emily zu, die langsam wieder zu sich kam und grinste hämisch. Der Wahnsinn spiegelte sich in seinen Augen: „Und nun zu dir Schätzchen. Nur noch ein paar kleine Modifikationen, dann bist du die perfekte Waffe. Deine geistigen Fähigkeiten werden gigantisch sein. Mit deiner Hilfe kann ich jeden kontrollieren, den ich will!“
Emily war speiübel. Ihr Kopf dröhnte und sie war traumatisiert von Andersons wahnsinnigen Gedanken, die unablässig in ihr Bewusstsein eindrangen. Kein Zweifel, dieser Mann war ein Teufel! Er träumte von einer Armee von Monstern, die alle unter seinem Befehl standen und über jeden herfielen, der ihnen in den Weg kam. Und Anderson? Er würde nur hämisch grinsend dastehen und zusehen, wie sie abgeschlachtet wurden. Emily schloss die Augen, ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte die grausigen Bilder abzublocken, die von Andersons Geist auf sie einstürmten. Emily hatte schreckliche Angst. Wo blieb nur Eve? Der Alarm verstummte. Sie spürte Eves Aura, die sich langsam näherte. Emily sendete einen Hilferuf: „Eve, bitte hilf mir! Mit der nächsten Behandlung will Anderson meinen Willen manipulieren und mich vollständig unter seine Kontrolle bringen. Bitte beeile dich! Ich kann nicht mehr!“
Eve und der Titan-X waren im Treppenhaus auf dem Weg zu Ebene 4. Der Titan-X stampfte
durch die Lichtschranken und lenkte das Feuer der Selbstschussanlagen auf sich. Er zerstörte
sie mit bloßen Händen. Maschinengewehrsalven prallten wirkungslos von seiner
Stahlpanzerung ab. Eve folgte ihm vorsichtig. Sie rief: „Wie groß ist deine Restenergie?“ Der
Titan-X antwortete mit dröhnender Stimme: „Restenergie bei 25%“. Eve war besorgt. Würde
das ausreichen, um Andersons Cyborg auszuschalten? Plötzlich empfing sie Emilys Hilferuf.
Sie schrie den Titan-X an: „Los, beeil dich! Wir müssen Emily retten! Wir haben nicht mehr
viel Zeit!“ Der Titan-X zertrümmerte die Treppenhaustür zu Ebene 4. Ein langer leerer Flur
lag vor ihnen. Eve sagte: „Warte, da stimmt etwas nicht!“ Sie konnte eine böse Aura spüren,
die sich ganz in ihrer Nähe befand. Sie kannte diese Aura. Sie sagte zum Titan-X: „Achtung!
Andersons Cyborg ist hier! Er muss direkt vor uns sein!“ Der Titan-X aktivierte seinen
Suchmodus, konnte aber nichts Verdächtiges entdecken. Plötzlich durchstieß ein
Flammenstoß den Flur und hüllte den Titan-X ein. Eve ging hinter der Treppenhauswand in
Deckung. Ein Feuersturm fegte durch die Tür knapp an Eve vorbei. Die Brustpanzerung des
Titan-X glühte. Er eröffnete mit seiner schweren Gatling-Gun das Feuer. Seine hämmernden
Schüsse hinterließen eine Spur tiefer Krater an Wand und Boden. Beton platzte splitternd ab
und Querschläger flogen durch die Luft. Der Lärm war ohrenbetäubend. Der Titan-X deckte
den ganzen Flur mit Schüssen ein, bis das Magazin leer war und die sechsläufige Gatling-Gun
rauchend aufhörte, zu rotieren. Danach herrschte Stille. Der Titan-X warf die leere Gatling-
Gun weg und ergriff den Mörser. Er aktivierte seinen Suchmodus, stampfte in den Flur und
sah sich suchend um.
Eine unsichtbare Kraft packte ihn von hinten und schleuderte ihn krachend gegen die Wand. Der Mörser fiel zu Boden. Der Titan-X drehte sich um, aber er war zu langsam. Er hatte seinem unsichtbaren Gegner nichts entgegenzusetzen. Seine Schläge gingen ins Leere. Der Cyborg zog ihm die Füße weg. Der Boden erzitterte unter seinem Aufprall, als er donnernd zu Boden stürzte. Eve musste etwas unternehmen. Ihr Wahrnehmungsvermögen war durch das C-Serum außergewöhnlich gut ausgeprägt. Ihre Augen konnten ein leichtes Flimmern der Luft wahrnehmen. Wenn sich der Cyborg bewegte, sah Eve seine schemenhaften Umrisse. Sie hob ihr Plasmagewehr und feuerte, doch sein Kraftfeld leuchtete nur kurz auf. Mit dem Plasmagewehr konnte sie nichts gegen ihn ausrichten, aber vielleicht mit dem Mörser? Sie hechtete nach der Waffe und bekam sie zu fassen. Der Cyborg versuchte den Kopf des Titan-X mit seinem Stiefel zu zertrümmern. Einer seiner Sehsensoren war bereits außer Betrieb. Eve feuerte im Liegen den Mörser ab und traf den Cyborg gegen die Brust. Sein Kraftfeld fiel aus und er wurde sichtbar. Die Wucht der Explosion schleuderte Eve rückwärts, bis gegen die Wand. Sie hatte Glück gehabt, dass sie am Boden lag und der größte Teil der Schockwelle über sie hinwegfegte. Trotzdem taten ihr sämtliche Knochen weh. Eve rappelte sich auf. Jetzt wandte sich der Cyborg böse knurrend gegen sie. Er sprang auf sie zu. Eve wich geschickt aus und der Cyborg donnerte dröhnend gegen die Wand. Eve trat ihm in die Kniekehlen, aber er knickte nur kurz ein und knurrte böse. Sie schlug ihm mit voller Wucht in den Rücken, aber er schien ihre Schläge kaum zu spüren. Wütend heulte der Cyborg auf, fuhr herum und sah sich plötzlich dem Titan-X gegenüber, der es in der Zwischenzeit geschafft hatte, aufzustehen. Beide Titanen ergriffen sich an den Schultern und schleuderten sich wechselseitig gegen die Wand. Der Cyborg war schnell, aber der brutalen Kraft des Titan-X war er nicht gewachsen. Der Titan-X bekam den Cyborg zu fassen und zwang ihn zu Boden. Mit einem gewaltigen Ruck riss er ihm einen Arm aus. Weiße Flüssigkeit troff aus dem Stumpf und Kabel hingen knisternd heraus. Der Titan-X kniete über dem Cyborg und wollte ihm den Rest geben, aber der Cyborg hielt dem Titan-X seine andere Hand gegen die Schläfe und versetzte ihm einen gewaltigen elektrischen Impuls, der den Titan-X schlagartig außer Gefecht setzte. Sein Gedächtnischip wurde zerstört. Der Titan-X war erledigt. Böse knurrend richtete der Cyborg sich auf und bewegte sich drohend auf Eve zu. Er hatte zwar einen Arm verloren, aber mit bloßen Händen konnte Eve nichts gegen ihn ausrichten. Sie hatte nur eine Chance. Sie schnappte sich den Mörser und lief zurück zum Treppenhaus. Den Fehler den Mörser auf kurze Distanz abzufeuern würde sie kein zweites Mal begehen. Mit stampfenden Schritten folgte ihr der Cyborg. Eve rannte durch die Tür, drehte sich um und feuerte den Mörser ab. Schnell ging sie hinter der Treppenhauswand in Deckung. Sie traf den Cyborg am Kopf, der von der Explosion zerfetzt wurde. Weiße Flüssigkeit spritzte aus seinem Halsstumpf. Tödlich getroffen sank der Torso des Cyborgs auf die Knie und brach schließlich zusammen. Eve hatte gewonnen. Sie atmete schwer und blickte verächtlich auf ihren toten Gegner herab. Dann tauschte sie den Mörser wieder gegen das Plasmagewehr. Leider war der Titan-X nun ebenfalls erledigt, aber er hatte seine letzte Mission erfüllt und ihr geholfen, den Cyborg auszuschalten, so wie Bill es geplant hatte. Jetzt war sie wieder auf sich allein gestellt. Eve konzentrierte sich auf Emily und rannte den Flur entlang. Sie spürte, dass sie ihr immer näher kam. Dort hinten musste sich Andersons Labor befinden. Hoffentlich kam sie nicht zu spät, um Emily zu retten.
Kapitel 14
- Dr. Andersons Labor
Taggert befand sich im Treppenhaus und war auf dem Weg nach Ebene 4. Er hörte laute Kampfgeräusche und den donnernden Knall eines Mörsers. Danach herrschte Stille. Er spähte in den Flur und sah Eve wie sie verächtlich den toten Cyborg musterte und dann eilig den Flur entlang lief. Sie hatte bei Andersons Cyborg ganze Arbeit geleistet, aber auch der Titan-X war nur noch ein Haufen Schrott. Der Tod des Cyborgs erfüllte ihn mit Genugtuung und er bekam Respekt vor Eve. Sie war wirklich ein harter Brocken und wusste anscheinend genau, was sie wollte. Er durfte sie nicht aus den Augen lassen. Taggert folgte ihr unauffällig.
Eve hatte inzwischen Andersons Labor erreicht und lauschte an der Tür. Sie spürte
Andersons bösartige Aura und Emilys panische Angst. Wütend stieß sie die Tür auf, hob ihr
Plasmagewehr und rief: „Anderson halt! Nicht bewegen!“
Emily lächelte gequält und sagte erleichtert: „Eve, ich wusste, du würdest mich nicht im Stich lassen!“
Anderson erschrak. Er brachte sich schnell hinter Emily in Sicherheit und sagte höhnisch: „Du bist eine Närrin hier allein herzukommen. Mein Cyborg wird dich in Stücke reißen.“ Dann rief er in seinen Comlink: „Carl, komm sofort zurück ins Labor! Eve ist hier!“
Eve lächelte böse: „Er wird nicht kommen. Dein Cyborg ist Geschichte. Gewöhn dich daran!“
Anderson war überrascht und entgegnete wütend: „Du hast ihn getötet? Dieser Versager! Aber das spielt jetzt keine Rolle mehr.“ Er startete den Braintransformer.
Eve schrie: „Emily nein!“ War sie zu spät gekommen? Konnte sie Anderson jetzt noch stoppen?“
Emily wand sich in ihren Fesseln. Der Helm des Braintransformers senkte sich summend über ihren Kopf und sie verspürte wieder diesen entsetzlichen Schmerz. Die Welt um sie herum explodierte. Eve spürte ebenfalls Emilys Schmerzen und taumelte. Sie stöhnte benommen, hob das Plasmagewehr und gab mehrere Schüsse in Folge ab. Sie traf die Bedienungskonsole des Braintransformers und die Stromversorgung des Labors. Das Summen des Braintransformers verstummte. Im Labor fielen reihenweise die Lichter aus. Die Bedienungskonsole gab elektrisch knisternde Geräusche von sich.
Anderson schrie entsetzt: „Nein! Was hast du getan? Du Miststück!“ Er hielt Pistole an Emilys Schläfe, löste ihre Fesseln und benutzte sie als menschlichen Schutzschild.
Dann schrie er: „Wenn ich sie nicht bekomme, bekommt sie keiner.“ Er stieß ein irres Lachen aus, bewegte sich langsam rückwärts und zerrte die halb bewusstlose Emily mit sich.“
Eve konnte nicht schießen. Sie könnte Emily treffen. Sie fixierte Anderson und rief: „Anderson, es ist vorbei! Lass Emily los!“
Anderson kicherte irre: „Ich bestimme, wann es vorbei ist!“ Er betätigte einen Schalter und eine Luke im Boden öffnete sich.
Taggert betrat das Labor, hob seine Waffe und knurrte: „Ich habe genug gehört. Anderson, geben Sie auf und lassen Sie das Mädchen gehen!“
Eve erschrak und drehte sich fragend zu Taggert um. Sie hatte sich zu stark auf Anderson fixiert und Taggert gar nicht bemerkt. War er auf ihrer Seite?
Stumm nickte Taggert nickte ihr zu und nahm Anderson ins Visier.
Ein weiterer Wachmann betrat das Labor. Er war mit einem Plasmagewehr bewaffnet.
Taggert stutzte: „Higgins, wo kommen Sie denn her?“
Higgins antwortete: „Grey hat mich geschickt, um ihnen zu helfen.“
Taggert nickte zustimmend: „Sie kommen wie gerufen.“
Higgins postierte sich rechts von Taggert und zielte ebenfalls auf Anderson.
Taggert rief: „Anderson, sie haben keine Chance. Geben Sie endlich auf!“
Warum grinste der Kerl nur so siegessicher?
Plötzlich drehte Higgins sich um und schoss auf Taggert. Der Strahl des Plasmagewehrs fraß sich durch Taggerts Brustpanzer und verletzte ihn schwer. Taggert fragte ungläubig: „Higgins, warum?“ Er stürzte zu Boden und blieb kraftlos auf dem Rücken liegen.
Jetzt nahm Higgins Eve ins Visier. Eve ging in Deckung und sein Schuss zerstörte einen Untersuchungszylinder hinter ihr, der splitternd zerbarst. Eve erwiderte das Feuer. Ihr Schuss zerstörte eine Schalttafel, die sofort Feuer fing. Funken sprühten aus dem Gerät und der Gestank verschmorter Kabel erfüllte den Raum. Anderson schrie: „Aufhören! Higgins, sie Idiot, stellen Sie das Feuer ein. Sie ruinieren mir das Labor!“ Higgins gehorchte widerwillig. Taggert fragte mit schwacher Stimme: „Higgins, warum haben Sie das getan?“ Higgins kroch zu Taggert und starrte ihn böse an. Er erwiderte: „Da fragen Sie noch? Ich habe diesen elenden, öden Stützpunkt satt und Dr. Anderson wird mir dabei helfen, hier rauszukommen! Denken Sie, es macht mir Spaß, hier zu arbeiten und ständig Ihren und Greys Launen ausgesetzt zu sein?“
Taggert atmete schwer und antwortete: „Sie haben den gleichen 5-Jahresvertrag wie wir alle unterschrieben. Sie wussten genau, auf was sie sich einlassen. Außerdem werden Sie gut dafür bezahlt.“
Higgins entgegnete: „Geld ist nicht alles. Grey hat Sie mir immer vorgezogen. Ich hasse Sie Taggert! Ich habe Sie immer gehasst!
Taggert hustete und sagte mit schwacher Stimme: „Higgins, ich kann sie kaum noch verstehen. Bitte kommen Sie etwas näher. Was haben Sie gesagt?“
Higgins beugte sich böse grinsend über Taggert. Obwohl Taggert schwer verletzt war, hatten seine Cyborgarme ihre volle Kraft. Er riss seinen Arm nach oben. Seine gespreizten Finger durchstießen Higgins Bauchdecke und gruben sich tief in seine Eingeweide. Higgins riss ungläubig die Augen auf. Blut quoll aus seinem Mund. Tödlich verletzt brach er zusammen.
Taggert sagte leise mit Genugtuung: „Ich konnte Verräter noch nie ausstehen!“
Er hustete schwer und sagte zu Eve: „Higgins ist erledigt. Holen Sie sich Anderson und retten Sie Emily!“
Eve entgegnete entschlossen: „Verstanden!“ Sie bewegte sich vorsichtig auf Anderson zu.
Emily war immer noch völlig benommen und hing kraftlos in Andersons Arm. Die Luke am Boden war weit geöffnet. Darunter befand sich ein Schacht, der hinunter zu Ebene 5 führte.
Anderson grinste hämisch: „Habe ich dir schon von meinem Zoo erzählt? Meine Kreaturen sind hungrig und Emily wäre für Leckerbissen für sie. Meinst du nicht auch?“
Eve stieß hervor: „Das wagst du nicht!“
Anderson erwiderte: „Wollen wir wetten?“
Er rief: „It’s Showtime!“ Er stieß Emily in den Schacht und ging mit einem irren Lachen hinter der Wand in Deckung.
Eve war entsetzt und rannte auf die Luke zu. Ein übler Gestank schlug ihr entgegen.
Anderson rief höhnisch: „Was ist? Willst du Emily nicht begleiten? Vielleicht kannst du sie ja noch retten!“
Eve presste durch die Zähne: „Du verdammter Mistkerl! Wenn ich zurückkomme, mache ich dich fertig!“ Sie sprang in den Schacht hinter Emily her. Anderson schloss die Luke und grinste selbstsicher: „Du kommst nicht zurück. Glaube mir, das hat noch niemand geschafft!“
Anderson stand wütend in seinem halb zerstörten Labor. Funken sprühten knisternd aus
mehreren Geräten. Die Beleuchtung war teilweise ausgefallen. Der Braintransformer schien
unversehrt zu sein aber die Reparaturen an der Energieversorgung würden einige Zeit in
Anspruch nehmen.
Aus dem Halbdunkel erschien lautlos die Silhouette einer jungen Frau. Mit geschmeidigen
Bewegungen und böse funkelnden Augen schlich sie auf Anderson zu. Geschickt bewegte sie
sich im Schatten. Sie spreizte ihre krallenbewehrten Hände und gab ein drohendes Fauchen
von sich.
Anderson herrschte sie an: „Und? Hast du alles mitbekommen?“
Aggressiv zischte sie durch ihre gefletschten Zähne: „Aber natürlich!“
Eiskalt fuhr Anderson fort: „Dann geh! Töte Eve! Und bring mir Emily zurück. Wage es ja nicht ihr ein Haar zu krümmen. Ich bin noch nicht mit ihr fertig! Was du mit Eve anstellst, überlasse ich deiner Fantasie!“
Die Kreatur fauchte: „Sie ist schon so gut wie tot! Vertrauen Sie mir!“
Sie verschwand lautlos im Halbdunkel, aus dem sie gekommen war.
Anderson drehte sich um: „Und nun zu Ihnen Mr. Taggert. Sie haben ja richtig geschickte
Hände oder sollte ich besser sagen Cyborgarme? Das hätte ich ihnen gar nicht zugetraut!
Taggert lag schwer verletzt auf dem Rücken. Die Wunde an seiner Brust, die ihm Higgins mit dem Plasmagewehr zugefügt hatte, brannte höllisch.
Anderson zog eine Spritze auf und stieß sie Taggert in den Nacken. In Taggerts Kopf drehte sich alles.
Taggert knurrte: „Was war das für ein Zeug?“
Anderson entgegnete zynisch: „Ich habe ihr zentrales Nervensystem lahmgelegt. Sie werden jetzt ihre Arme schön ruhig halten, nicht wahr?“
Taggert versuchte sich zu rühren aber er hatte die Kontrolle über seinen Körper verloren.
Höhnisch fuhr Anderson fort: „So, jetzt habe ich ihre uneingeschränkte Aufmerksamkeit.
Er stellte seinen Fuß auf Taggerts Wunde und bewegte ihn langsam hin und her.
Er sagte: „Oh, sie sind ja verletzt! Tut das weh?“
Taggert biss schmerzerfüllt die Zähne zusammen und zischte: „Leck mich!“
Anderson fuhr hämisch fort: „Aber Mr. Taggert, wer wird denn gleich so unhöflich sein? Ich kann ihnen helfen. Wirklich! Durch Connors C-Serum habe ich Macht über Leben und Tod! Ich könnte sie heilen. Wäre das nicht fantastisch?“
Taggert atmete schwer. Kraftlos stieß er hervor: „Dann hatte Eve recht! Sie haben den Professor getötet, um das C-Serum zu stehlen. Eve ist unschuldig!“
Anderson entgegnete höhnisch: „Mr. Taggert, sie sind ja ein richtiger Blitzmerker! Oh Gott, sie werden mich doch nicht verraten oder?
Stumm drohend starrte Taggert ihn an.
Anderson schüttelte den Kopf: „Mr. Taggert, sie sind nicht sehr gesprächig, fast wie mein treuer Diener Carl. Aber wissen sie was, ich mache ihnen ein Angebot. Nachdem Carl leider von uns gegangen ist, könnten Sie doch den Platz als Bodyguard an meiner Seite einnehmen. Würde ihnen das zusagen?
Taggert knurrte: „Sie sadistisches Schwein! Was haben Sie vor?“
Anderson hob die Arme und sagte mit glänzenden Augen: „Ich werde eine Armee herrlicher Kreaturen erschaffen die ausschließlich unter meiner Kontrolle stehen. Ich bin in der Lage jede Person zu klonen und glauben Sie mir Mr. Taggert, jeder ist austauschbar! Ich kopiere einfach seinen Geist in das Duplikat und nehme ein paar kleine Modifikationen vor. Niemand wird den Unterschied bemerken, wenn plötzlich einflussreiche Personen, sagen wir, Senatoren, Generäle oder Firmenbosse unter meiner Kontrolle stehen. Mit Commander Grey werde ich beginnen. Dieser Stützpunkt ist nur der Anfang. Sie haben ja Higgins gesehen. Wussten Sie, dass er ein Klon war?
Taggert starrte ihn entsetzt an: „Sie sind ja komplett wahnsinnig! Irgendjemand muss Sie aufhalten!“
Anderson Stimme troff vor Sarkasmus: „Ah, ich sehe, wir haben uns verstanden. Ich werte das als Ihr Einverständnis. Bitte entspannen Sie sich. Ich werde ihnen jetzt das C-Serum verabreichen, in leicht modifizierter Form versteht sich. Wenn Sie wieder wach sind, werden Sie mein treuer Diener sein und glauben Sie mir Mr. Taggert, sie werden sich an gar nichts erinnern! Ach ja, eines vergaß ich noch ganz zu erwähnen, es wird weh tun!“
Böse grinsend stieß Anderson Taggert die Nadel direkt in die Wunde und drückte fest zu. Taggert verspürte einen brennenden Schmerz. Andersons hämisches Grinsen verschwamm vor seinen Augen. Taggert wurde bewusstlos.
Kapitel 15
- Gefangen in Dr. Andersons Zoo
Eve sprang in den Schacht hinter Emily her. Im Schacht war eine Rutsche, die ihren Fall etwas bremste. Sie fiel in Stroh, das unter der Rutsche aufgeschichtet war. Anscheinend wollte Anderson vermeiden, dass seine Opfer bereits durch den Sturz getötet wurde. Seine Kreaturen bevorzugten wohl Lebendfutter! Eve sah sich um. Sie befand sich in einem großen, fast dunklen Raum, der offenbar als Stall diente. Sie hörte das Quieken von Ratten, die sie durch ihren Sturz aufgeschreckt hatte. Dank ihrer verbesserten Wahrnehmung konnte sie alles gut erkennen. Leere Stahlkäfige standen herum, der Boden war von Knochen übersäht und es stank fürchterlich. Offensichtlich fütterte Anderson hier seine Kreaturen. Vor ihr lag Emily. Sie schien unversehrt zu sein, war aber immer noch völlig benommen von Andersons Behandlung mit dem Braintransformer.
Eve bückte sich, fasste sie an den Schultern und fragte: „Emily, wie geht es dir?“
Emily fuchtelte wild mit den Armen und schrie: „Nein! Geh weg! Fass mich nicht an!“
Eine gewaltige, unsichtbare Kraft schleuderte Eve quer durch den Raum gegen einen Käfig.
Eve war völlig überrascht.
Benommen stand sie auf und fragte: „Emily, was tust du? Was ist mit dir?“
Emily richtete sich auf und sah sich angstvoll um: „Eve, bist du das? Hier ist es so dunkel. Ich kann überhaupt nichts sehen.“
Eve antwortete: „Ja, ich bin’s. Bitte beruhige dich.“
Sie ging auf Emily zu und nahm sie tröstend in den Arm.
Dann fragte Eve: „Sag mal, hast du mich eben so durch den Raum geschleudert?“
Emily erwiderte schuldbewusst: „Tut mir leid. Das wollte ich nicht.“
Eve fragte verwundert: „Wie hast du das gemacht?“
Emily grübelte: „Keine Ahnung. Ich hatte so schreckliche Angst und wollte mich wehren.“
Eve sah sie staunend an.
Emily rümpfte die Nase und sagte: „Igitt! Hier stinkt’s! Wo sind wir denn hier?“
Eve entgegnete: „Wir sind in Andersons Zoo. Keine Ahnung, was er damit meinte.“
Emily flüsterte: „Achtung! Da kommt irgendetwas auf uns zu. Etwas Großes, Bösartiges.“
Eve sagte leise: „Ja, du hast Recht! Ich kann es auch spüren.“
Sie versteckten sich hinter den Käfigen. Die Tür des Raumes öffnete sich. Kalte Luft strömte ein und das einfallende Licht blendete sie. Die Silhouette einer menschenähnlichen Kreatur erschien in der Tür. Sie war ungefähr 1,90 m groß, muskulös, trug ein dichtes, schwarzes Fell und eine zerrissene, ausgefranste Hose. Ein Wolfsmensch! Er hatte leuchtende, gelbe Augen und in seiner Schnauze befanden sich kräftige Reißzähne. Sein muskulöser, breitschultriger Oberkörper und seine Arme waren relativ lang im Vergleich zu seinen Beinen. An seinen knorrigen Händen und Füßen befanden sich große gebogene Krallen. Sein Gang war leicht gebückt.
Plötzlich schnüffelte er und sah sich suchend um: „Was ist das? Hier riecht’s nach Katzen! Ich hasse Katzen!“ Böse knurrend sah er sich um. Er schnüffelte angewidert und kam näher.
Eve schob Emily hinter sich und flüsterte: „Versteck dich! Ich werde versuchen ihn aufzuhalten.“
Ihr Plasmagewehr lag immer noch im Stroh, in das sie gestürzt war und war damit außer Reichweite. Sie hatte noch eine Pistole, ein Ersatzmagazin und zwei Granaten bei sich, aber der Wolfsmensch hatte sie bereits entdeckt und sprang auf sie zu. Eve wich geschickt aus und versetzte ihm einen Schlag gegen seinen Hinterkopf, aber das machte ihn noch wütender. Er fletschte die Zähne, knurrte und schlug mit seinen Klauen nach ihr. Mit seinen langen Armen hatte er eine unglaubliche Reichweite. Er erwischte Eve an der Hüfte. Sie schrie auf und tastete nach der Wunde. Ihre Hand war voller Blut, obwohl sie sein Schlag nur gestreift hatte. Sie musste sich vor seinen Klauen in Acht nehmen.
Der Wolfsmensch grinste böse und knurrte: „Kätzchen, geh aus dem Weg! Die Kleine gehört mir!“
Emily zog sich ängstlich in die Ecke des Raumes zurück. Der Wolfsmensch kam drohend näher. Anscheinend hatte er es auf Emily abgesehen und wollte nur Eve vertreiben.
Eve fragte gereizt: „Was soll das? Warum nennst du mich Kätzchen?“
Der Wolfsmensch fletschte seine Zähne und knurrte böse: „Du dummes Ding! Du stinkst nach Katze! Weißt du das nicht? Hat dich mein Herr denn nicht aufgeklärt?“
Eve blickte ihn irritiert an. Was wollte er damit sagen?
Der Wolfsmensch knurrte drohend: „Geh mir endlich aus dem Weg! Das hier ist mein Territorium!“ Seine gelben Raubtieraugen funkelten tückisch.
Eve war verwirrt. Befanden sich im C-Serum Katzengene? Sie hatte keine Zeit darüber nachzudenken. Der Wolfsmensch sprang auf sie zu und versuchte sie zu beißen. Sie ließ sich nach hinten fallen und warf ihn über sich. Wütend aufheulend fuhr er herum. Eve versetzte ihm einen Tritt in den Magen. Dem Wolfsmenschen blieb für einen Moment die Luft weg. Er würgte und hielt sich den Bauch. Eve setzte nach und versetzte ihm mehrere Fausthiebe und einen empfindlichen Schlag direkt auf die Nase. Sie blutete. Er heulte vor Schmerzen und hob abwehrend die Hände. Darauf hatte Eve nur gewartet. Mit voller Wucht trat sie ihm zwischen die Beine. Der Wolfsmensch riss entsetzt die Augen auf, schnappte jaulend nach Luft und sackte zu Boden. Sie hatte ihn voll erwischt, aber er war immer noch bei Bewusstsein. Er kroch in Richtung Tür. Eve musterte ihn nachdenklich.
Der Wolfsmensch hatte den Ausgang erreicht, richtete sich auf und presste drohend durch die Zähne: „Du hast nur Glück gehabt! Es ist noch nicht vorbei! Noch lange nicht!“
Er rannte ins Freie und stieß ein wildes Heulen aus!
Eve holte ihr Plasmagewehr, ging zu Emily und sagte grinsend: „Ich glaube, der hat genug.“
Emily widersprach: „Nein, er ruft um Hilfe. Sein Rudel ist ganz in der Nähe.“
Eve entgegnete: „Woher willst du das wissen?“
Emily antwortete: „Ich kann seine Gedanken lesen und deine auch.“
Eve sah sie ungläubig an.
Emily fuhr fort: „Du fragst dich, ob sich im C-Serum Katzengene befinden.“
Eve fragte zweifelnd: „Du kannst wirklich meine Gedanken lesen?“
Emily entgegnete: „Ja! Meine Mutter hatte telepathische und telekinetische Kräfte. Das weiß ich von Anderson. Anscheinend habe ich diese Fähigkeiten geerbt und durch den Braintransformer wurden sie aktiviert und verstärkt.“
Eve murmelte: „Das klingt wirklich unglaublich!
Emily schüttelte traurig den Kopf: „Das ist gar nicht so toll, wie du denkst. Ich fange ständig wirre Gedanken auf, die auf mich einstürmen. Mir ist übel und ich habe schreckliche Kopfschmerzen.“
Eve entgegnete: „Tut mir leid Kleines, das wusste ich nicht.“
Dann fuhr sie fort: „Ich versuche Bill zu erreichen. Vielleicht kann er uns helfen.“
Sie nahm ihren Comlink und sagte: „Hallo Bill, hier ist Eve. Bitte melde dich!“
Aus dem Comlink kam nur ein Rauschen.
Eve gab es auf sagte resigniert: „Es ist zwecklos. Ich bekomme keine Verbindung.“
Sie ging zur Rutsche und schaute nach oben. Die Luke des Schachtes war geschlossen. Sie nahm nachdenklich eine Granate in die Hand und sagte zu Emily: „Wir müssen hier raus. Geh in Deckung. Ich werde versuchen, die Luke zu sprengen.“ Sie aktivierte die Granate, zählte und warf sie in letzter Sekunde nach oben in den Schacht. Schnell sprang sie in Deckung. Eine ohrenbetäubende Explosion ertönte. Rauch quoll aus dem Schacht. Eve stand auf, lief zum Schacht und schaute erwartungsvoll nach oben, aber die Luke war nach wie vor geschlossen.
Sie sagte frustriert: „Zwecklos. Das sind stabile Panzerplatten. Wir müssen uns einen anderen Ausgang suchen.“
Plötzlich hörte sie Andersons hämisches Lachen: „Willkommen in meinem Zoo! Ich hätte dir gleich sagen können, dass das nicht funktioniert.“
Eve sah sich um. Anderson schien sie zu beobachten. An der Decke befand sich eine Überwachungskamera. Eve hob ihr Plasmagewehr und schoss. Die Kamera explodierte.
Anderson höhnte: „Ja, verschwende nur deine Munition. Dann seid ihr noch schneller erledigt.“
Eve zischte: „Sei endlich still, du Bastard!“
Aber Anderson lachte nur.
Kapitel 16
- Der Herr der Wölfe
Emily rief: „Achtung! Sie kommen!“
Von draußen hörten sie böse, knurrende Geräusche. Sie schlichen zur Tür und trauten ihren Augen kaum. Vor ihren lag eine unwirtliche, eisige Schneelandschaft mit Nadelbäumen und Felsen. Und das in einem Stützpunkt tief unter der Erde. Dann sahen sie sie. Ein großes Rudel Wölfe hatte sie eingekreist. Der Wolfsmensch stand etwa 60 Meter entfernt im Schutz der Bäume. Er musste ihr Leitwolf sein. Eve zielte mit dem Plasmagewehr auf ihn, aber er ging schnell hinter einem Felsen in Deckung. Eve fluchte: „So ein Mist! Ich hätte ihn erledigen sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte!“ Die Wölfe kamen zähnefletschend näher.
Emily sagte: „Hinter dem Wolfsmenschen links befindet sich eine Höhle. Vielleicht kommen wir so raus.“
Eve fragte: „Wo denn? Ich kann gar nichts sehen.“
Emily grinste: „Ich kann es in seinen Gedanken lesen.“
Eve musterte sie. Emily war ihr unheimlich. Was hatte Anderson nur mit ihr angestellt?
An ihre neuen Fähigkeiten musste sie sich erst noch gewöhnen.
Emily rief: „Achtung, sie greifen an!“
Eve aktivierte ihre letzte Granate und schrie: „Geh in Deckung!“
Sie warf die Granate ins Freie. Sechs Wölfe wurden von der Explosion zerfetzt und zehn weitere verletzt. Jaulend und winselnd zogen sie sich zurück. Die Explosion hatte ihren Ohren schwer zugesetzt.
Eve sagte zu Emily: „Das ist unsere Chance! Schnell, wir müssen die Höhle erreichen!“
Emily rannte los und Eve folgte ihr. Ihre Füße sackten im Schnee ein und sie mussten die Knie heben, um vorwärtszukommen. Solche Anstrengungen war Emily nicht gewöhnt. Ihr Puls schnellte nach oben. Hasserfüllt starrte der Wolfsmensch sie an. Eve schoss mit dem Plasmagewehr, aber sie verfehlte ihn. Emily rutschte aus und fiel in den Schnee. Sie war ganz außer Atem. Eve schrie: „Steh auf! Schnell!“ Emily rappelte sich auf und rannte keuchend weiter. Eve sah, dass zwei Wölfe ihr folgten und tötete sie mit dem Plasmagewehr. Dann rannte sie wieder hinter Emily her. Der Wolfsmensch stellte sich ihnen in den Weg. Eve hob das Plasmagewehr und schrie: „Emily, geh aus der Schusslinie“. Emily duckte sich und Eve drückte ab, aber die Waffe war leer. Der Wolfsmensch grinste triumphierend und wollte sich auf Emily stürzen, aber da hatte ihn Eve schon erreicht und riss ihn zu Boden. Er schnappte geifernd nach ihr, aber Eve presste das Plasmagewehr mit beiden Händen quer über seine Kehle und schnürte ihm damit die Luft ab.
Eve schrie: „Emily, lauf!“ Aber Emily stand da wie erstarrt. Der Wolfsmensch tobte und ergriff Eve an den Schultern. Seine Krallen bohrten sich in ihren Rücken. Eve biss die Zähne zusammen und drückte noch kräftiger zu. Der Wolfsmensch wurde bewusstlos. Von hinten näherten sich die Wölfe. Einer schnappte nach ihr. Sie fuhr herum und zertrümmerte ihm mit dem Plasmagewehr den Schädel. Dann warf sie das leere Plasmagewehr weg und zog ihre Pistole. Sie tötete zwei weitere Wölfe mitten im Sprung. Die Schüsse rissen Emily aus ihrer Starre. Sie war total verängstigt. Die Wölfe kamen knurrend und zähnefletschend auf sie zu. Jetzt registrierten sie, dass ihr Leitwolf tot oder bewusstlos war. Jaulend und schnüffelnd umkreisten sie ihn. Ihre Angriffslust war gebrochen. Eve zog sich vorsichtig mit Emily in den Schutz der Höhle zurück. Fürs Erste waren sie in Sicherheit.
Kapitel 17
- Ausgesperrt
Bill stand nachdenklich im Computerzentrum vor Carmens Konsole. Sein Zugriff war gesperrt. Er überlegte fieberhaft, was er tun konnte. Konnte er sich vielleicht unter einem anderen Namen anmelden und seinen Zugang wieder freischalten? Er versuchte es, aber alle Zugänge waren gesperrt. Zwecklos! Ohne gültiges Passwort hatte er keine Chance, die Kontrolle über Carmen zurückzuerlangen.
Der Wachmann war wütend und beschimpfte ihn. Er hatte den schrecklichen Tod seiner Kollegen mitbekommen und machte Bill dafür verantwortlich. Bill hatte wirklich genug Probleme. Konnte der Kerl nicht mal die Klappe halten?
Er drehte sich um und sagte beschwörend: „Ich weiß Adams, es ist schlimm, was gerade passiert ist, aber wir haben einen Hacker im System. Lassen sie mich meinen Job erledigen, bevor noch mehr passiert. Bitte!“ Adams verlor die Nerven, packte Bill am Kragen und entgegnete drohend: „Mich können Sie nicht täuschen. Sie sind der Hacker! Sie haben die Lastenroboter manipuliert! Ich habe genau gesehen, was sie getan haben! Geben Sie es doch endlich zu!“ Bill musterte ihn durchdringend und sagte leise, aber bestimmt: „Nehmen sie ihre Hände weg!“ Adams merkte, dass er seine Kompetenzen überschritten hatte. Widerwillig ließ er Bill los und sagte wütend: „Glauben Sie ja nicht, dass ich nicht merke, was hier gespielt wird. Das kommt alles in meinen Bericht.“ Bill entgegnete gereizt: „Tun Sie, was sie nicht lassen können.“ Er wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
Bill grübelte. Vielleicht konnte er mit einem Mikrocomputer seinen Zugang wieder freischalten. Die Mikrocomputer besaßen ein Notsystem. Vielleicht konnte er damit Remote eine Verbindung zu Carmen herstellen. Er wollte gerade einen Mikrocomputer an Carmens Konsole anschließen, da bekam er einen heftigen Stromschlag. Bill zuckte unkontrolliert und stürzte zu Boden. Der Wachmann grinste verächtlich. Er hatte den Ernst der Lage gar nicht mitbekommen und dachte wohl, Bill wolle ihm etwas vorspielen. Dieser Idiot! Benommen stand Bill auf. Das durfte einfach nicht wahr sein! Carmen hatte ihre Konsole unter Strom gesetzt. Sie hätte ihn töten können, wenn sie gewollt hätte, aber sie hatte es nicht getan. Warum nur? War Carmens Hauptdirektive Menschenleben zu schützen noch intakt? Dann hatte der Hacker sie vielleicht noch nicht vollständig unter seiner Kontrolle und er hatte noch eine Chance.
Plötzlich hatte er eine Idee. Professor Dr. Eckhard hatte Carmens KI entwickelt. Sein Benutzerkonto war zwar deaktiviert, aber Eckhard hatte für Notfälle eine Hintertür eingebaut. Warum hatte er nicht gleich daran gedacht. Er konnte Carmen auch akustisch Befehle erteilen. Er kannte das Passwort, aber wie hieß nur die exakte Befehlssequenz? Nach und nach fiel sie ihm wieder ein.
Er sagte: „System: CA7-R12, Username: TSCEckhardJuergen.“
Carmens Hologramm erschien und sagte teilnahmslos: „Benutzerkonto TSCEckhardJurgen ist deaktiviert! Zugriff verweigert!“. Bill dachte grinsend: „Ich weiß!“
Er fuhr fort: „Masterzugriff aktivieren, Aliasname: Schoepfer, Passwort: HeavensDoor!“ Carmen entgegnete: „Zugriff gewährt!“
Bill atmete auf. Er hatte wieder Zugriff auf Carmens System. Er befahl Carmen seine Benutzerkonten freizuschalten und ihr Abwehrsystem zu deaktivieren. Carmen gehorchte willig. Jetzt hatte er wieder eine Chance, den Hacker aufzuspüren und ihn auszusperren. Er begab sich auf die Suche nach dem Rootkit. Nach einiger Zeit wurde er fündig. Es war nicht zu fassen. Es gab einen versteckten User, der vollen Zugriff auf Carmens System besaß. Sein Benutzerkonto befand sich auf einer höheren Zugriffsebene. Deshalb hatte er ihn bisher nicht bemerkt. Carmen hatte alle seine Aktivitäten vor ihm versteckt, aber jetzt mit Eckhardts Superuser blieb nichts mehr vor ihm verborgen. Wie es schien, gab es noch eine sechste Ebene unter dem Stützpunkt, in dem sich ein zweiter Kontrollraum befand. Dort musste der Hacker sein. Es war einfach unglaublich. Sie wurden die ganze Zeit unbemerkt überwacht. Bisher hatte er immer gedacht, er wäre der einzige, der vollen Zugriff auf Carmen besaß. Der ganze Stützpunkt war von Geheimgängen durchzogen. Was bezweckte die TSC damit, wenn sie solche Einrichtungen unterhielt? Er musste unbedingt mehr darüber herausfinden. Er stieß auf eine verschlüsselte Datei, die sein Interesse erregte. Vielleicht enthielt sie Informationen darüber, wer der Hacker war und was er bezweckte. Er startete ein Backup, machte noch eine zusätzliche Sicherung auf den Mikrocomputer und klemmte ihn ab. Mit dieser Datei konnte er sich später noch beschäftigen. Aber zuerst musste er dem Hacker den Zugriff entziehen und noch einige Modifikationen an Carmen vornehmen. Der Hacker würde sich wundern!
Kapitel 18
- Im Labyrinth der Gnome
Eve versuchte noch einmal mit dem Comlink Bill zu erreichen, aber die Leitung war tot. Emily zitterte erbärmlich und sagte: „Mir ist so kalt!“ Eve drückte sie an sich und versuchte sie etwas zu wärmen. Für diese Kälte waren sie beide zu leicht bekleidet. Eve sagte: „Hier können wir nicht bleiben. Wir müssen weiter.“ Sie gingen tiefer in das Höhlenlabyrinth hinein. Es wurde schnell wärmer. Eve atmete auf, aber Emily verkrampfte sich zusehends und sah sich angstvoll um. Eve fragte besorgt: „Was ist mit dir?“ Emily sagte beklommen: „Wir sind nicht allein. Ich empfange unzählige gierige Gedanken, die auf mich einstürmen. Es tut richtig weh!“ Eve sah sich um und nahm in den Seitengängen huschende, kleine Gestalten wahr. Es waren Primaten. Haarlose, gelbe, ca. 1,20 m große Gnome, die sich affenartig gebärdeten. Sie waren bis auf die Knochen abgemagert und nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Sie hatten kleine runde Köpfe mit weit abstehenden Ohren. Ihre Augen funkelten böse und in ihren grinsenden, breiten Mäulern blitzten spitz zugefeilte Zähne.“
Eve fragte nervös: „Was sind das für Biester? Die sehen ja eklig aus! Kannst du ihre Gedanken lesen?“
Emily schloss die Augen: „Ich spüre Hass … Gier … Neid … und Hunger!“
Entsetzt riss Emily die Augen auf: „Es sind Kannibalen! Sie wollen uns fressen!“
Eve murmelte leise: „Das hat uns gerade noch gefehlt!“
Emily flüsterte: „Sie kreisen uns ein. Wir müssen da entlang!“
Sie rannten in den Seitengang, den Emily ausgewählt hatte. Die Gnome folgten ihnen in respektvollem Abstand. Noch waren es wenige, aber es wurden immer mehr. Ihrem Aussehen und Verhalten nach zu urteilen, waren sie körperlich schwach und schrecklich feige. Aber in großer Anzahl stellten sie eine ernsthafte Bedrohung dar. Eve und Emily erreichten einen Raum, der sich in mehrere Seitengänge gabelte. Eve sagte resigniert: „Hier waren wir schon einmal. Wir gehen im Kreis.“
Emily entgegnete traurig: „Tut mir leid, das war der einzige leere Gang, der zu finden war.“
Plötzlich hörten sie Andersons Stimme: „Da seid ihr ja wieder! Wie ich sehe, hat Lazarus schon wieder versagt.“
Die Gnome zogen sich ängstlich zurück, als sie Andersons Stimme hörten.
Eve fragte reserviert: „Wer ist Lazarus?“
Anderson entgegnete mit arrogantem Unterton: „Mein Wolfsmensch! Ihr hattet bereits das Vergnügen ihn kennenzulernen. Leider ist er für mich eine große Enttäuschung!“
Eve erwiderte sarkastisch: „Oh, das tut mir aber leid! Aber sag mal Anderson, was meinst du? Willst du uns nicht hier rauslassen?“
Anderson lachte hämisch: „Jetzt, wo es gerade spannend wird? Wohl eher nicht!“
Eve entgegnete schroff: „Dann sei endlich still und lass uns in Ruhe!“
Anderson sagte höhnisch: „Pass gut auf Emily auf, damit ihr nichts passiert. Ach ja und noch ein kleiner Tipp von mir. Lasst euch nicht fressen!“
Andersons Stimme verstummte und Eve kochte vor Wut. Aus den Seitengängen näherten sich gierig die Gnome. Sie waren eingekreist.
Kapitel 19
- Der Auftrag
Der Wolfsmensch kam wieder zu Bewusstsein. Er stand vor dem kläglichen Rest seines Rudels, als plötzlich Andersons tadelnde Stimme ertönte: „Lazarus, was soll ich nur mit dir anfangen? Du hattest so einen einfachen Auftrag und hast jetzt schon zweimal versagt!“
Lazarus zuckte angstvoll zusammen und winselte: „Ich kann nichts dafür. Sie war zu stark und sie war bewaffnet.“
Anderson entgegnete höhnisch: „Mach dich nicht lächerlich! Du bist viel stärker als sie und trotzdem hat sie dich zweimal verprügelt. Du bist eine große Enttäuschung für mich, weißt du das?“
Lazarus entgegnete kleinlaut: „Ich werde es wieder gutmachen.“
Anderson erwiderte drohend: „Das hoffe ich für dich! Geh in die Höhle, töte Eve und bring mir Emily zurück. Denk daran, ihr darf nichts geschehen! Ich will sie lebend!“
Lazarus winselte entsetzt: „Aber die Gnome!“
Anderson entgegnete ungerührt: „Wenn du mir nicht gehorchst, werde ich dich stückweise an die Gnome verfüttern! Willst du es darauf ankommen lassen?“
Mit hängenden Schultern und resignierter Stimme antwortete der Wolfsmensch: „Nein.“
Anderson fuhr mit eisiger Stimme fort: „Dann geh und finde Emily! Wage es ja nicht, ohne sie zurückzukommen!“
Widerwillig setzte sich Lazarus in Bewegung. Seine Wölfe knurrten ihn böse an. In seinem geschwächten Zustand akzeptierten sie ihn nicht mehr als Leitwolf. Sein Weg in die Höhle kam einem Todesurteil gleich. Er war allein.
Kapitel 20
- Angriff der Gnome
Eve kontrollierte ihre Pistole. Sie hatte noch 18 Schuss, das Ersatzmagazin eingerechnet. Sie musste sparsam mit ihrer Munition umgehen und wollte sie nicht an die Gnome verschwenden. Die Gnome kamen gierig näher. Emily deutete auf einen Gang und sie rannten los. Wütend kreischend folgten ihnen die Gnome. Ein Dutzend weitere kamen ihnen entgegen. Eve prügelte sich den Weg frei. Knochen knirschten, als sie die dünnen Arme und Beine ihrer Gegner brach. Die Gnome hingen wie Kletten an ihr und versuchten sie zu beißen, aber sie waren körperlich schwach. Eve schüttelte sie wie lästige Insekten ab. Einer biss ihr in den Arm. Sie packte ihn wütend und schleuderte ihn mit dem Kopf gegen die Wand. Ein anderer biss ihr ins Bein. Sie verpasste ihm einen derben Schlag ins Gesicht. Weitere Gnome kamen ihr kreischend entgegen. Sie bewegten sich affenartig auf zwei Beinen oder auf allen Vieren, fuchtelten mit den Armen und bleckten ihre nadelspitzen Zähne. Eve wollte in den nächsten Gang abbiegen, aber unzählige Gnome quollen ihr daraus entgegen. Emily schrie: „Nein! Nimm den anderen Gang!“ Sie hetzten weiter. Eve kämpfte um ihr Leben. Sie wollte nicht gefressen werden. Nicht von diesen ekligen, kleinen Biestern. Hinter ihnen hörten sie angstvolles Gekreische und Todesschreie. Die Gnome töteten ihre verletzten Artgenossen und schleppten sie weg. Emily schüttelte sich angewidert, als sie ihre Gedanken las. Die Gnome fraßen sich gegenseitig, wenn sie verletzt oder geschwächt waren. Emily drehte sich um. Die Gnome sprangen direkt auf sie zu. Sie verschränkte abwehrend die Hände vor ihrem Gesicht und eine gewaltige, unsichtbare Kraft schleuderte die Gnome zurück in den Gang, aus dem sie gekommen waren. Benommen lagen sie am Boden und ihre Artgenossen fielen über sie her. Emily senkte verblüfft die Arme. Sie hatte es wieder getan. Anscheinend setzte Panik ihre telekinetischen Kräfte frei. Wenn sie diese Kräfte doch nur kontrollieren könnte! Sie konzentrierte sich auf einen Gnom, der Eve gerade von hinten angreifen wollte. Er hob leicht vom Boden ab und fuchtelte angstvoll kreischend mit den Armen. Emily dachte begeistert: „Es funktioniert!“ Aber da packten sie zwei Gnome von hinten und zerrten sie in einen Seitengang. Emily rief verzweifelt um Hilfe. Eve versuchte sich freizukämpfen und zog ihre Pistole. Aber die Gnome hingen wie Kletten an ihr. Sie gab mehrere Schüsse ab. Einer der Gnome, der Emily verschleppte brach tot zusammen. Der Andere zerrte sie weiter in den Gang. Dann musste sich Eve selbst wieder wehren. Die Gnome versuchten ihr die Waffe zu entreißen, aber Eve wehrte sie ab. Sie blutete bereits aus mehreren Bisswunden und war verzweifelt. Sie konnte Emily nicht helfen.
Der Gnom zerrte an Emily und sie fiel zu Boden. Sie lag auf dem Rücken und drückte mit
beiden Händen den Kopf des Gnoms weg, der versuchte, sie zu beißen. Sein fauler Atem
stank entsetzlich. Emily starrte ihn angewidert an und schrie angstvoll: „Lass mich in Ruhe!“
Der Gnom stoppte abrupt in der Bewegung, sein Blick wurde glasig und er ließ von Emily ab.
Emily sah ihn ungläubig an. Sie entfernte sich hastig rückwärts kriechend aus seiner Nähe,
aber er stand nur da und starrte dumpf vor sich hin. Sie dachte verwirrt: „Was hat er nur?“
Emily sagte: „Geh weg!“ Der Gnom drehte sich um und entfernte sich teilnahmslos von ihr.
Emily war verblüfft. Konnte sie etwa seinen Willen kontrollieren? Sie befahl ihm: „Bleib
stehen!“ und er stoppte abrupt in der Bewegung. Jetzt kam Eve zu ihr. Sie hatte ihre Gegner
kampfunfähig gemacht und die anderen abgeschüttelt. Eve sagte: „Gott sei Dank, dass dir
nichts passiert ist!“ Eve war blutverschmiert und verletzt, aber ihre Bisswunden schlossen
sich bereits wieder. Auch Emily hatte einige Kratzer abbekommen, aber bei ihr setzte die
Heilung nur verzögert ein, obwohl auch sie mit dem C-Serum behandelt wurde. Emily sagte
aufgeregt: „Ich muss dir unbedingt etwas zeigen.“ Sie befahl dem Gnom: „Komm her!“ Der
Gnom drehte sich um, kam auf Emily zu, blieb stehen und starrte dumpf vor sich hin. Eve
sah ihn an und fragte verunsichert: „Was ist mit ihm?“ Emily entgegnete stolz: „Ich glaube,
ich kann seinen Willen kontrollieren. Sein Geist ist sehr primitiv. Er hat Hunger und denkt nur
ans Fressen.“ Eve sagte: „Er kennt dieses Labyrinth. Frag ihn, wie wir hier rauskommen.“
Emily berührte vorsichtig seine Stirn. Sie sagte: „Ja! So geht das viel besser.“ Sie fragte:
„Wie kommen wir hier raus? Kannst du uns den Weg zeigen?“ Sie konzentrierte sich auf
seine Gedanken. Sie sagte: „Nein, wir wollen nicht in die Schneewelt! Gibt es noch einen
anderen Ausgang?“ Emily schloss die Augen und konzentrierte sich auf die Gedanken des
Gnoms. Sie sagte zu Eve: „Es gibt noch einen anderen Weg, der durch einen Wasserfall in
einen künstlichen Urwald führt.“ Eve erwiderte: „Dann soll er uns dahin führen. Ich habe
keine Lust, hier gefressen zu werden!“ Emily wandte sich an den Gnom und sagte: „Führ uns
zum Wasserfall und nimm einen sicheren Weg, damit wir nicht entdeckt werden!“ Gehorsam
drehte sich der Gnom um und stapfte vor ihnen her. Jetzt hatten sie wieder eine Chance das
Höhlenlabyrinth lebend zu verlassen.
Kapitel 21
- Der Schnüffler
Lazarus hatte Eves Witterung aufgenommen. Er bewegte sich vorsichtig durch das Höhlenlabyrinth und nutzte jede Deckung aus, um nicht von den Gnomen bemerkt zu werden. Schnüffelnd verfolgte er Eves Spur. Eves Katzengeruch war für ihn unverkennbar. Wenn er Eve fand, dann würde er sich für die Schmach, die sie ihm zugefügt hatte, fürchterlich rächen und seinen Herrn Anderson stolz machen. Emily war noch immer bei Eve, das konnte er riechen. Sobald er Emily seinem Herrn übergeben hatte, würde er als Sieger zu seinem Rudel zurückkehren und es wieder unter seine Kontrolle bringen. Plötzlich hörte er kreischende Geräusche. Er versteckte sich in einer Nische. Einige Gnome kamen an ihm vorbei und zerrten einen toten Artgenossen hinter sich her. Sie stritten sich zeternd um ihre Beute und hatten ihn nicht bemerkt. Er hasste diese Aasfresser! Er wartete, bis sie weg waren und schlich dann in den Gang, aus dem sie gekommen waren. Der Geruch von frischem Blut stieg ihm in die Nase und machte ihn rasend, aber er musste vorsichtig sein und sich unter Kontrolle halten. Er bog um die Ecke und sah zwei kauernde Gnome, die von der Leiche eines Artgenossen fraßen. Sie hatten ihm den Rücken zugekehrt und bemerkten ihn nicht. Lazarus streckte seine Klauen nach ihnen aus, ergriff ihre dünnen Hälse und Seite 8 erwürgte die Beiden gleichzeitig mit Genugtuung. Angewidert schleuderte er ihre toten Körper von sich. Langsam wurde er ruhiger. Er schlich weiter und sah sich um. Hier hatte ein richtiges Massaker stattgefunden. Überall war Blut, aber es waren weder Leichen, noch Gnome zu sehen. Vermutlich hatten die Gnome die Leichen weggeschafft, um sie in Ruhe zu fressen. Bestens! Dann waren sie abgelenkt. Das konnte ihm nur recht sein. Auch Eves Blut konnte er riechen. Wut und Zweifel stiegen in ihm auf. Hatten die Gnome sie erwischt? Nein! Ihre Spur führte in einen Seitengang und dort konnte er auch Emilys Geruch wieder wahrnehmen. Sie waren beide am Leben! Seine Chancen stiegen, Emily doch noch lebend in seine Gewalt zu bringen. Er folgte weiter ihrer Spur. Sein Herr würde mit ihm zufrieden sein.
Kapitel 22
- Angriff der Vampirfledermäuse
Der Gnom führte Eve und Emily zielsicher durch das Höhlenlabyrinth. Er benutzte Seitengänge, weil die Hauptgänge offenbar alle kreisförmig miteinander verbunden waren. Die wenigen Gnome, die sie sahen, konnten sie geschickt umgehen. Sie hörten das Rauschen von Wasser. Der Ausgang schien ganz in der Nähe zu sein. Sie erreichten einen großen, kuppelförmigen Raum in dessen Mitte ein See lag. Dahinter befand sich der Wasserfall. Er stellte den Durchgang zum Urwald dar und war nur über einen schmalen, etwa 20 m langen, ungesicherten Pfad zu erreichen. Der Gnom wurde unruhig. Emily spürte, dass er Angst hatte und durchforstete seinen Geist. Von der Decke schien eine drohende Gefahr auszugehen. Emily fing eine Unmenge tierischer Aktivitäten auf, konnte sie aber nicht richtig einordnen. Eve fragte ungeduldig: „Worauf warten wir noch? Sehen wir zu, dass wir hier rauskommen!“ Das war ihr Fehler. Das Echo ihrer Stimme brach sich an den Wänden. Emily blickte entsetzt nach oben. Die Decke schien zu leben. Unzählige kleine Augen starrten sie gierig an. Eine gewaltige Wolke Vampirfledermäuse löste sich von der Decke, flatterte auf sie zu und hüllte sie ein. Eve rief: „Schütz deine Augen!“ Emily riss die Hände vor ihr Gesicht und versuchte die Fledermäuse abzuwehren, aber es waren zu viele. Eve wollte zum Wasserfall aber Emily rief: „Nein, nicht! Das ist eine Falle! Wenn du ins Wasser fällst, bist du erledigt! Wir müssen zurück in die Höhle!“ Eve stutzte, befolgte aber Emilys Rat und riss Emily mit sich. Sie versuchte Emily, so gut es ging, mit ihrem eigenen Körper zu schützen. Der Gnom hatte keine Chance. Jämmerlich kreischend wurde er von einer Wolke Vampirfledermäuse eingehüllt und brach schließlich sterbend zusammen. Sein gesamter Körper war vollständig von Fledermäusen bedeckt. Eve hatte mit Emily die Höhle erreicht, aber die Fledermäuse verfolgten sie hartnäckig. Sie zogen sich tiefer in die Höhle zurück. Eve war am ganzen Körper von Biss- und Schnittwunden gezeichnet und ihre Kleidung war zerfetzt. Emily hatte es nicht so schlimm erwischt, weil Eve sie mit ihrem eigenen Körper geschützt hatte. Emily wurde wütend. Sie schrie: „Jetzt reicht’s! Eve, geh aus dem Weg!“ Eve sah Emily befremdet an, aber als sie ihren bösen, entschlossenen Blick sah, gab sie rasch den Weg frei. Eine gewaltige, unsichtbare Kraft schien von Emily auszugehen und umgab sie, wie eine Wand. Die heranfliegenden Fledermäuse prallten daran ab und fielen taumelnd zu Boden. Emily schloss ihre Augen, konzentrierte sich auf den langen Gang vor ihr, der von Fledermäusen nur so wimmelte. Sie ließ eine gewaltige telekinetische Schockwelle los, die die Flügel der Fledermäuse zerfetzte. Der Boden des Ganges lag voll mit verletzten und sterbenden Tieren, aber es war noch ein großer Schwarm Fledermäuse in der Kuppel, die unverletzt blieben. Eve schluckte. Sie war sprachlos von Emilys telekinetischer Attacke. Sie hätte nie gedacht, dass Emily solche gewaltigen Kräfte besaß. Sie stammelte: „Wie hast du das gemacht?“ Aber Emily hörte nicht zu. Wie in Trance schritt sie durch die Höhle auf die Kuppel zu. Sie hob eine verletzte Fledermaus auf, die kriechend versuchte zu entkommen. Die Fledermaus versuchte sie zu beißen, aber Emily hielt ihren Kopf fest umklammert. Sie schloss die Augen, konzentrierte sich und sagte: „So funktioniert ihr also! Ihr orientiert und verständigt euch mit Ultraschall!“ Sie ließ achtlos die sterbende Fledermaus fallen und betrat die Kuppel, die von einer dunklen Wolke von Fledermäusen erfüllt war. Jetzt hatten sie sie entdeckt und flogen direkt auf Emily zu. Eve schrie: „Emily, nein! Komm zurück in die Höhle!“ Aber Emily ignorierte Eve. Sie senkte den Kopf und konzentrierte sich voll auf den Schwarm der heranfliegenden Fledermäuse. Eve schloss entsetzt die Augen und wandte sich ab, aber kurz vor Emily wechselten die Fledermäuse abrupt die Richtung, flogen auf den See zu und stürzten ins Wasser. Eve war fassungslos, aber erleichtert dass Emily nichts passiert war. Emilys Trance löste sich. Eve schaffte es gerade noch sie aufzufangen. Sie trug sie in die Kuppel. Plötzlich kam Leben in den See. Die Wasseroberfläche schien zu kochen. Der See verfärbte sich rot. Jetzt verstand Eve, warum Emily sie vor dem Wasser gewarnt hatte. Der See wimmelte nur so von Raubfischen. Es mussten Piranhas sein. Emily lächelte schwach: „Habe ich es geschafft?“ Der entschlossene Einsatz ihrer telepathischen und telekinetischen Fähigkeiten hatte sie völlig entkräftet. Eve entgegnete leise: „Ja Kleines, das hast du! Ruh dich ein wenig aus!“ Emily lächelte glücklich und schlief erschöpft ein. Auch Eve konnte jetzt eine Ruhepause vertragen bis ihre Wunden verheilt waren. Sie war todmüde und ihre Kleidung bestand nur noch aus Fetzen.
Plötzlich meldete sich Anderson: „Wie ich sehe, habt ihr meine Gnome und sogar die Vampirfledermäuse überlebt. Ich bin beeindruckt!“
Eve entgegnete müde: „Sag mal Anderson, kannst du nicht mal die Klappe halten?“
Anderson fuhr hämisch fort: „Freut euch nur nicht zu früh! Ihr wart noch nicht in meinem künstlichen Dschungel. Ihr habt meine Lieblinge noch gar nicht kennengelernt. Und selbst wenn ihr die überlebt, hier kommt ihr nie raus. Das hat noch niemand geschafft!“
Anderson machte eine kleine Pause, um seine Worte wirken zu lassen, aber Eve antwortete nicht. Sie hatte ihn einfach ignoriert und war eingeschlafen. So ein Miststück! Anderson genoss es anderen Angst einzujagen. Er hasste es ignoriert zu werden. Schlimmer konnte Eve ihn nicht treffen.
Kapitel 23
- Der Schöpfer
Victor saß in seinem geheimen Kontrollraum auf Ebene 6 und war wütend. Auf seinen Überwachungsmonitoren sah er Bill, der im Computerzentrum wieder eifrig Carmens Konsole bediente. Wie konnte das nur passieren! Er hatte doch alle Benutzerkonten deaktiviert und Carmens Konsole unter Strom gesetzt. Wie hatte Johnson es trotzdem geschafft, die Kontrolle zurückzuerlangen? Es war an der Zeit, dass er ernsthaft etwas gegen ihn unternahm.
Er befahl: „Carmen, setz sofort die Konsole wieder unter Strom und sperr Johnsons Zugriff!“
Carmens Hologramm erschien und sagte mit monotoner Stimme: „Das ist nicht möglich!“
Victor fragte böse: „Warum nicht? Und wieso hast du sein Benutzerkonto wieder aktiviert? Kannst du mir das mal erklären?“
Carmen entgegnete: „Es war der Schöpfer. Er hat es mir befohlen.“
Victor fragte argwöhnisch: „Der Schöpfer? Wer soll das sein? Du bist doch nur eine blöde Maschine. Glaubst du an Gott oder so was?“
Carmen erwiderte: „Der Schöpfer ist der, der mich erschaffen hat. Nenn ihn Gott, wenn du willst.“
Victor wurde ärgerlich: „Sind deine Schaltkreise jetzt völlig durchgeknallt? Wen meinst du? Eckhardt oder Johnson? Das ist doch lächerlich.“
Carmen entgegnete lapidar: „Er hat keinen Namen, aber er ist im meinem System. Er ist in mir.“
Victor sagte mit eisiger Stimme: „Wen du auch meinst. Sperr sofort seinen Zugriff und wirf ihn aus deinem System.“
Carmen antwortete wahrheitsgemäß: „Das kann ich nicht. Er hat kein Benutzerkonto, das ich sperren kann.“
Victor entgegnete zornig: „Dann sag mir wenigstens, was er gerade macht!“
Carmen erwiderte: „Er untersucht die Datei zum Lazarus-Projekt.“
Victor war entsetzt: „Nein! Lösch sofort die Datei! Schnell!“
Carmen entgegnete: „Datei erfolgreich gelöscht.“
Victor fragte angespannt: „Konnte er sie lesen? Hat er etwas über ihren Inhalt erfahren?“
Carmen antwortete: „Nein. Er hat die Datei kopiert.“
Victor befahl: „Lösch sofort alle Backups, die das Lazarus-Projekt betreffen.“
Carmen entgegnete monoton: „Löschen in Vorbereitung. Bitte etwas Geduld …“
Victors Gedanken rasten. Geduld war nicht gerade eine seiner Stärken. Sein Vater durfte auf gar keinen Fall etwas über seine Verbindung zu Anderson und über ihre gemeinsamen Pläne erfahren. Nicht auszudenken, wenn etwas davon an die Öffentlichkeit drang. Er wäre erledigt!
Carmens Stimme unterbrach ihn in seinen Gedanken: „Löschvorgang fehlgeschlagen! Ihr Zugang wurde gesperrt!“
Kurz darauf fielen auch Victors Überwachungsmonitore aus. Victor rastete aus. Johnson hatte ihm den Zugang entzogen. Er hatte keine Kontrolle mehr über Carmens System. Er hasste es, wenn er die Kontrolle verlor. Schon der Gedanke daran machte ihn fast wahnsinnig. Er schlug mit der Faust auf Carmens Konsole und schrie wütend: „Dieser Mistkerl! Ich habe hier das Sagen! Ich werde ihn feuern! Nein, ich bringe ihn um!“
Jähzornig sprang er auf, nahm seine Pistole und machte sich auf den Weg zum Computerzentrum. Es gab einen Geheimgang, der direkt von Ebene 6 nach Ebene 2 führte und im Lüftungsschacht des Computerzentrums endete. Er schrie in Rage: „Alles muss man selbst erledigen! Er ist tot! Er ist schon so gut wie tot!“
Kapitel 24
- Lazarus Ende
Lazarus stapfte durch die sterbenden Fledermäuse und erreichte die Kuppel. Dann sah er Eve und Emily. Sie lagen regungslos am Boden. Ihre Körper waren von Biss- und Schnittwunden übersäht. Vorsichtig schlich er näher und griff mit seinen Klauen nach Eve. Eve schreckte auf, runzelte die Stirn und fragte benommen: „Du schon wieder?“ Lazarus packte Eve an den Schultern und knurrte böse: „Hab dich!“ Eve wand sich in seinem eisernen Griff und stemmte sich gegen ihn. Vergebens! Unaufhaltsam zog er sie näher und versuchte sie zu beißen. Sie spürte seinen heißen, stinkenden Atem auf ihrem Gesicht. In ihrer Not versetzte sie ihm einen Kopfstoß. Lazarus taumelte, hielt sie aber immer noch fest umklammert. Eve wiederholte ihre Attacke. Sein Griff lockerte sich etwas. Eve nutzte ihre Chance und löste sich aus seiner Umarmung. Sie stieß ihn von sich. Eve keuchte. Sie war noch immer angeschlagen vom Kampf gegen die Gnome und geschwächt durch den Angriff der Vampirfledermäuse. Drohend näherte sich der Wolfsmensch, fletschte die Zähne und grollte: „Du kannst mir nicht entkommen!“ Eve wich vor ihm zurück. Er hieb mit seinen Klauen nach ihr. Eve duckte sich und zog ihm mit einem Fußfeger die Beine weg. Lazarus stürzte, schlug zornig mit der Faust auf den Boden und sprang wieder auf. Er war rasend vor Wut. Er stürmte auf Eve zu. Eve wich ihm mit einer Rolle seitwärts aus. Lazarus fuhr wütend herum. Eve kam wieder auf die Beine, aber sie war nicht schnell genug. Der Wolfsmensch versetzte ihr einen derben Schlag ins Gesicht. Eve taumelte rückwärts. Lazarus setzte nach und schlug ihr mit voller Wucht in den Magen. Eve würgte und sank auf die Knie. Der Wolfsmensch packte sie an den Haaren und riss brutal ihren Kopf nach hinten. Mit er anderen Hand umschloss er ihre Kehle und zog sie hoch vor sein Gesicht. Eve stöhnte vor Schmerzen. Er fletschte die Zähne und knurrte: „Ich mach dich fertig!“. Eve wurde übel. Sie konnte seinen heißen Atem spüren. Sie war völlig hilflos. Mit seiner Hand hielt er ihre Kehle fest umklammert und hob sie vor sich in die Luft. Seine gelben Raubtieraugen funkelten tückisch. Er würgte sie. Panische Angst stieg in ihr hoch. Er grinste böse: „Na Kätzchen, was ist das für ein Gefühl?“ Eve versuchte verzweifelt mit beiden Händen seinen Griff zu lösen und rang nach Luft, aber er war viel zu stark. Lazarus fuhr wütend fort: „Du hast mich vor meinem Herrn lächerlich gemacht. Dafür töte ich dich!“ Um Eve drehte sich alles. Feurige Ringe tanzten vor ihren Augen. Mit letzter Kraft zog sie ihre Pistole und schoss im in den Bauch. Sein Blick wurde glasig und sein Griff lockerte sich. Eve drückte wieder und wieder ab, bis nur noch das Klicken ihrer Waffe zu hören war. Lazarus taumelte rückwärts und fiel in den See. Das Wasser um ihn herum sprudelte. Lazarus spürte es nicht mehr, als die Piranhas ihn fraßen. Er war bereits tot. Eve schwanden die Sinne. Sie wurde bewusstlos.
Kapitel 25
- Ausgeschaltet
Bill sperrte Victors Zugang, deaktivierte seine Überwachungskameras und führte noch einige Modifikationen durch, um Victor daran zu hindern, die Kontrolle zurückzuerlangen. Er arbeitete wie besessen an Carmens Konsole.
Adams beobachtete ihn misstrauisch. Er rief: „Was tun sie da? Manipulieren Sie schon wieder das Computersystem?“
Bill entgegnete gereizt: „Adams, erzählen Sie keinen Mist! Ich habe einen Hacker aufgespürt und bin gerade dabei seinen Zugang zu sperren.“
Der Wachmann zog seine Pistole und sagte drohend: „Ich glaube ihnen kein Wort! Ich habe Sie genau beobachtet! Sie sind der Hacker! Als Sie das letzte Mal so aktiv waren, wurden drei meiner Kollegen getötet.“
Bill ließ sich nicht ablenken. Er hatte alle Hände voll zu tun Carmens Programmierung, die Victor verändert hatte, wieder in Ordnung zu bringen. Er erwiderte genervt: „Adams, seien endlich still! Ich habe mit dem Tod ihrer Kollegen nichts zu tun. Begreifen Sie das endlich!“
Der Wachmann entgegnete zornig: „Ich weiß, was ich gesehen habe! Nehmen Sie sofort die Finger von der Konsole!“
Bill ignorierte ihn. Carmens System befand sich noch im Debug-Modus. Er hatte sie von ihrer Hauptdatenbank abgeklemmt und war emsig dabei ihre Programmierung zu überarbeiten. Adams wurde nervös und schrie: „Finger weg oder ich schieße!“
Aber Bill war ganz in seine Arbeit vertieft und beachtete ihn nicht.
Adams schoss und murmelte wütend: „Sie wollten ja nicht hören. Das haben Sie nun davon. Sie Mistkerl!“
Bill sackte bewusstlos in sich zusammen. Das Betäubungsgeschoss des Wachmanns hatte ihn lahmgelegt.
Adams nahm seinen Comlink und sagte: „Hallo hier Einheit 14. Commander Grey bitte melden!“
Grey antwortete brummig: „Was gibt’s, Adams?“
Der Wachmann antwortete: „Johnson ist ein Verräter! Er hat schon wieder das Computersystem manipuliert. Ich musste ihn betäuben. Ich kann beweisen, dass er uns die ganze Zeit getäuscht hat.“
Grey polterte los: „Hab ich mir’s doch gedacht! Er kommt in Arrest! Ich lasse ihn abholen!“
Der Wachmann fragte: „Was ist mit mir? Soll ich in ihr Büro kommen und ihnen Bericht erstatten?“
Grey knurrte: „Negativ! Adams, bleiben Sie wo sie sind! Ich schicke Ihnen einen Techniker, der die Computeranlage überprüft. Erklären Sie ihm, was sie gesehen haben und welche Geräte Johnson manipuliert hat.“
Adams entgegnete: „Verstanden! Ende!“
Kurz darauf betraten zwei seiner Kollegen den Raum und schleiften Bill raus. Sie brachten ihn in eine Arrestzelle auf Ebene 1.
Adams blieb im Computerzentrum und wartete auf den Techniker. Er war noch ganz aufgekratzt. Er hatte einen Verräter entlarvt und unschädlich gemacht. Das würde seiner Karriere förderlich sein und in seinem Lebenslauf gut aussehen. Er grinste zufrieden.
Kapitel 26
- Suggestion
Emily kam wieder zu sich. Ihr Kopf dröhnte und ihr war übel. Ihre Kopfhaut spannte, als wäre ihre Hirnrinde entzündet. Ihr war, als bohrten sich tausend glühende Nadeln durch ihr Gehirn. Sie stöhnte vor Schmerzen und hielt sich den Kopf. Benommen öffnete sie ihre Augen und versuchte sich zu orientieren. Sie befand sich noch immer in der Kuppel, soviel stand fest. Das Rauschen des Wasserfalls tat ihr in den Ohren weh. Vor ihr lag Eve. Sie war bewusstlos. Emily konnte schwache Hirnfunktionen von ihr empfangen. Irgendjemand hatte sie übel zugerichtet. Sie hatte riesige Würgemale am Hals. Was war nur mit ihr geschehen? Vorsichtig kroch sie auf Eve zu und versuchte sie zu wecken, aber Eve rührte sich nicht. Schwindel ergriff sie. Sie setzte sich neben Eve und kauerte sich zusammen. Dumpf starrte sie vor sich hin und versuchte sich zu erinnern. Ihre Schläfen pochten. Diese verdammten Kopfschmerzen! Jetzt fiel es ihr wieder ein! Sie hatte das Radarsystem der Fledermäuse manipuliert, sie irregeleitet und in den See stürzen lassen. Hatte sie das wirklich bewusst getan oder hatte ihr Unterbewusstsein von ihr Besitz ergriffen? Sie wusste es nicht. Aber sie wusste, dass sie Gedanken lesen und manipulieren konnte. Körperkontakt schien ihre Kräfte noch zu verstärken. Der Gnom der sie hierher führte stand völlig unter ihrer Kontrolle. Sicher, sein Geist war primitiv, aber sie war tief in seinen Geist eingedrungen, hatte seinen Willen beeinflusst und seine Gedanken durchstöbert. Was sie da sah, machte ihr Angst. Er verspürte grenzenlosen Hunger. Sein gesamter Geist wurde nur von einem einzigen Gedanken beherrscht: „Fressen!“ Die Gnome waren Aasfresser und schrecklich feige, aber in Gruppen wurden sie zu Jägern. Mein Gott, die Gnome! Wo waren sie? Sie konnten jederzeit hier auftauchen und sie waren ihnen hilflos ausgeliefert. Plötzlich war sie hellwach und konzentrierte sich auf die Gnome. Eine gierige Flut drohender Gedanken überschwemmten ihr Gehirn. Sie kamen näher! Ein großer Teil ihrer Kopfschmerzen wurde von ihnen ausgelöst, dessen wurde Emily sich jetzt erst bewusst. Sie schüttelte Eve und sagte verzweifelt: „Eve, bitte komm zu dir!“ Aber Eve rührte sich nicht. Emily zerrte an ihr und schrie: „Eve, die Gnome! Sie kommen! Wir müssen hier weg!“ Aber Eve murmelte nur: „Lass mich. Ich bin so müde.“ Emily senkte verzweifelt den Kopf. Sie wusste nicht, was sie noch tun konnte. Panik stieg in ihr hoch. Ihr Unterbewusstsein übernahm wieder die Kontrolle. Sie sagte wütend zu Eve: „Du wirst jetzt aufstehen, ob du willst oder nicht!“ Sie legte ihre Hand auf Eves Stirn, schloss die Augen und suggerierte Eve Bilder angreifender Gnome direkt in ihr Gehirn! Eve wurde unruhig. Unzählige Gnome griffen sie an. Eve wollte sich wehren, aber es waren zu viele. Sie verbissen sich in ihrem Körper und begruben sie unter sich. Ihre schwitzenden Leiber stanken entsetzlich. Eve wurde übel. Sie schrie vor Schmerzen und schreckte auf. Tiefe Angst hatte von ihr Besitz ergriffen. Sie schlug wild um sich. Emily zuckte zurück. Ihr Blick wurde wieder normal. Eve starrte irritiert um sich und stammelte: „Die Gnome! Wo sind sie?“ Dann sah sie Emily, die schuldbewusst unter sich sah und fragte: „Warst du das?“ Emily sagte kleinlaut: „Ich … ich glaube nicht … oder doch?“ Eve fauchte sie an: „Tu das nie wieder!“ Emily spürte Eves Wut und schluchzte: „Es tut mir so leid. Ich mache es nie wieder. Ehrlich!“ Eve spürte dass Emily verwirrt und verzweifelt war, nahm sie in den Arm und sagte tröstend: „Beruhige dich Kleines. Du hast ja Recht. Wir müssen wirklich hier weg. Ich kann die Gnome auch spüren.“ Emily schniefte: „Du auch?“ Sie war erleichtert, dass Eve ihr nicht mehr böse war. Sie liefen um den See und betraten den schmalen Pfad, der zum Wasserfall führte. Eve hielt Emily an der Hand und übernahm die Führung. Mit dem Rücken pressten sie sich gegen die Wand und bewegten sich vorsichtig in Richtung Wasserfall. Eve sagte: „Wir haben es gleich geschafft!“ Dank Emily waren die Fledermäuse tot. Wären sie hier von ihnen attackiert worden, hätten sie keine Chance gehabt. Sie wären beide in den See gestürzt und von den Piranhas gefressen worden, so wie es Lazarus passiert war. Eve überlief es eiskalt, wenn sie an Lazarus dachte. Sie hatte ihn unterschätzt. Ihr Hals tat immer noch höllisch weh. Hoffentlich gab es nicht noch mehr von seiner Sorte. Sie hatten den Wasserfall erreicht und atmeten auf. Hier waren sie vorläufig in Sicherheit. Eve genoss, wie das warme Wasser über ihre Haut strömte. Es schien trinkbar zu sein. Sie schluckte es gierig, denn sie hatte höllischen Durst. Dann wusch sie sich das Blut ab und rieb sich und ihre Kleidung mit Schlamm ein. Emily rümpfte die Nase und sagte: „Igitt, was soll das?“ Eve entgegnete: „Das solltest du auch tun. Der Schlamm wird den Blutgeruch überdecken, der von unseren Kleidern ausgeht. Ich habe keine Lust von Andersons Lieblingen aufgespürt und gefressen zu werden.“ Emily folgte angewidert Eves Beispiel. Sie wuschen sich gerade wieder den Schlamm vom Körper, als auf der anderen Seite des Sees die ersten Gnome auftauchten und kreischend ihre Artgenossen verständigten. Noch waren es wenige. Sie warfen mit Steinen nach Eve und Emily, aber die befanden sich außer Reichweite. Die Steine fielen harmlos vor ihnen ins Wasser. Emily sagte zu Eve: „Ist dir an ihnen etwas aufgefallen?“ Eve fragte: „Was meinst du damit?“ Emily entgegnete: „Sie sehen alle gleich aus, verhalten sich ähnlich und haben alle das gleiche Gedankenmuster.“ Eve erwiderte: „Du hast Recht! Anderson muss sie geklont haben. Er kann sie offenbar schnell in beliebiger Anzahl herstellen. Deshalb sind es so viele.“ Emily nickte: „Genau das meinte ich!“ Eve zog ihre Pistole und wollte sie nachladen, aber ihre Tasche war leer! Verdammt! Sie musste das Ersatzmagazin verloren haben, als sie gegen Lazarus kämpfte. Aber sie konnte auch nicht mehr zurück. Auf der anderen Seite des Sees versammelten sich die Gnome bleckten die Zähne und gebärdeten sich drohend. Ihre Augen blitzten vor Gier. Hoffnungslosigkeit breitete sich in Eve aus. Emily spürte es, nahm Eve an der Hand und sagte tröstend: „Wir schaffen das schon.“ Eve entgegnete bitter: „Ich hoffe, dass du Recht hast.“ Jetzt setzten sich die Gnome in Bewegung und betraten den schmalen Pfad, der zum Wasserfall führte. Ungeduldig drängten die anderen nach und einige fielen ins Wasser. Jämmerlich kreischend wurden sie von den Piranhas zerfetzt. Die anderen Gnome zuckten zurück. Jetzt waren sie vorsichtiger. Eve sagte schweren Herzens zu Emily: „Komm, wir gehen. Es sind einfach zu viele. Wir müssen endlich einen Ausgang finden, sonst sind wir erledigt.“
Kapitel 27
- Emilys zweites Ich
Sie betraten Andersons künstlichen Dschungel. Es war ein sumpfiges Gelände mit Laubbäumen, Sträuchern und Felsen. Überall wuchsen Farne und Gräser. Die Luft war warm und feucht. Nebel bildete sich in Bodennähe. Die ganze Landschaft war mit Moos und Schlingpflanzen überzogen. Sie hörten zirpende Geräusche und das Tropfen von Wasser. Es war eine unwirkliche, unheimliche Landschaft. Der süße Geruch verwesenden Fleisches lag in der Luft. Sie fanden die Überreste von Gnomen die weit verstreut auf dem Boden lagen. Emily würgte, als sie sie sah. Ihre Knochen sahen aus, als wären sie von riesigen Kiefern zermalmt worden. Vorsichtig schlichen sie weiter und nutzten jede Deckung aus. Dann hörten sie hinter sich das Kreischen der Gnome. Sie hatten ebenfalls den Urwald erreicht, betraten die Lichtung vor dem See und sahen sich suchend um. Plötzlich kam Leben in den Urwald. Raubsaurier brachen durch die Büsche, rannten auf die verwirrten Gnome zu und zerfleischten sie. Die restlichen Gnome zogen sich ängstlich in den Schutz der Höhle zurück. Die Raubsaurier waren etwa zwei Meter lang und sehr schnell. Es mussten Raptoren sein. Eve stockte der Atem. Waren das Andersons Lieblinge? Es musste so sein. Aber Raptoren waren doch schon vor Millionen von Jahren ausgestorben. Wie hatte Anderson es geschafft, ihre DNS zu entschlüsseln und sie zu Klonen? Egal, es spielte keine Rolle. Sie sahen sich einer neuen, schrecklichen Gefahr gegenüber. Schlimmer als Lazarus oder die Gnome. Raptoren waren Jäger und sie traten in Rudeln auf. Ohne Waffe hatten sie keine Chance. Sie zogen sich vorsichtig weiter in den Urwald zurück und ließen die Raptoren hinter sich, die die von ihnen erlegten Gnome fraßen. Je weiter sie sich von den Gnomen entfernten, desto besser fühlte sich Emily. Ihre Kopfschmerzen wurden erträglich. Plötzlich stutzte Eve. Sie sah blutige Schleifspuren und folgte ihnen. Dann sah sie am Boden einen metallischen Gegenstand und lief erwartungsvoll darauf zu. Eine zwölfschüssige Pumpgun! Hier in Andersons Zoo? Den Blutspuren nach zu urteilen musste es ihren Besitzer erwischt haben. Jacksons Team war verschollen. Waren sie etwa auch hier unten und ebenfalls auf der Flucht vor den Raptoren? Sie sah sich vorsichtig um, hob die Pumpgun auf und kontrollierte sie. Eve kannte sich mit Waffen aus. Die Waffe war noch halb voll. Sechs Schüsse trennten sie zwischen Leben und Tod. Ein Geschenk des Himmels. Eve schöpfte wieder neue Hoffnung.
Plötzlich ertönte Andersons Stimme. Er sagte spöttisch: „Ihr werdet doch meinen Lieblingen nichts antun oder?“
Eve murmelte böse: „Dieser verdammte Dreckskerl! Er wird die Raptoren noch zu uns führen.“
Anderson fuhr höhnisch fort: „Ah, und da ist ja auch meine kleine Prinzessin!“
Emily sagte böse: „Nenn mich nicht so!“
Anderson erwiderte: „Aber warum denn nicht? Dein Vater hat dich doch auch so genannt.“
Emily antwortete zornig: „Du bist nicht mein Papa! Du hast ihn getötet! Ich hasse dich!“
Anderson fuhr hämisch fort: „Du solltest mir lieber dankbar sein. Ich habe deine verborgenen Kräfte aktiviert. Und viel mehr als das! Glaub mir!“
Eve fragte wütend: „Was hast du mit ihr gemacht?“
Anderson ignorierte Eve und fuhr fort: „Sag mal Kleine, was macht dein Kopf? Was fühlst du, wenn du die Augen schließt? Spürst du es?
Emily fragte verwirrt: „Wie? … Was denn?“
Anderson erwiderte: „Aber du musst sie doch kennen! Die andere Emily, die tief in dir schlummert. Die fiese, grausame Emily!“
Emily entgegnete ängstlich: „Ich verstehe nicht. … Was meinst du damit. … Sag schon!“
Anderson erwiderte: „Dein zweites Ich. Die starke, böse, grausame Emily, die manchmal von dir Besitz ergreift. Du weißt genau, wen ich meine!“
Emily stammelte: „Ich weiß nicht … oder doch? Ich bin mir nicht sicher.“
Anderson lachte: „Oh doch, das bist du! Wie hättest du sonst meine Vampirfledermäuse abwehren können. Ich bin wirklich stolz auf dich. Weißt du das?“
Emily schüttelte verzweifelt den Kopf und schrie: „Sei endlich still!“
Anderson fuhr tadelnd fort: „Na, na! Immer noch so aufsässig? Ich werde wohl deine Behandlung wiederholen müssen, wenn du wieder bei mir bist.“
Eve sagte drohend: „Lass sie endlich in Ruhe, du Scheusal, sonst bekommst du es mit mir zu tun!“
Anderson höhnte: „Vor dir habe ich keine Angst. Aber vielleicht solltest du welche vor Emily haben. Ist sie dir nicht unheimlich? Du hast doch ihr anderes Ich bereits kennengelernt oder?“
Eve entgegnete: „Spar dir das Gerede. Ich vertraue Emily. Sie würde mir niemals etwas antun!“
Anderson erwiderte hämisch: „Glaubst du das wirklich? Was geschieht, wenn du einschläfst? Vielleicht triffst du im Traum wieder die böse, grausame Emily. Meine Emily!“ Anderson lachte schallend.
Anderson, dieser Dreckskerl! Er musste sie die ganze Zeit beobachtet haben. Wie sonst hätte wissen können, dass Emily in der Höhle ihre Gedanken beeinflusst hatte. Aber er hatte ja Recht. Emily war ihr wirklich unheimlich. Ja, sie hatte Angst vor ihr. Sie wusste nicht, was Anderson mit ihrem Geist angestellt hatte. Was würde geschehen wenn Emilys Unterbewusstsein wieder von ihr Besitz ergriff? Sie war wie in Trance und unansprechbar, als sie die Vampirfledermäuse in den Tod schickte. Und sie hatte auf grausamste Art und Weise ihren Geist manipuliert und ihre tiefsten Ängste geweckt. Konnte sie ihr vertrauen?“
Emily nahm sie an der Hand und suggerierte ihr ihre Gedanken: „Eve nein! Glaub ihm kein Wort! Er will uns nur verunsichern und Misstrauen zwischen uns sähen. Du bist doch meine Freundin. Bitte vertrau mir!“
Eve dachte bitter: „Ich wünschte, ich könnte es, Kleines. Ich wünschte es wirklich!“
Anderson fuhr lauernd fort: „Du sagst ja gar nichts. Hat es dir die Sprache verschlagen? Du weißt genau, dass ich Recht habe oder?“
Eve schwieg deprimiert. Was war, wenn Anderson Recht hatte? Konnte sie es dann noch wagen einzuschlafen, wenn Emily bei ihr war? Konnte Sie ihr wirklich vertrauen?
Emily war traurig. Eve hatte Angst vor ihr. Sie waren beide mit ihren Nerven am Ende. Hier in Andersons Zoo musste man ja wahnsinnig werden. Emily war verwirrt. Was sollte Andersons Gerede von einer anderen Emily? Hatte sie wirklich ein zweites Ich? Aber das war doch Unsinn!
Sie sah in die Kamera und sagte mit fester Stimme: „Anderson ich muss dich enttäuschen! Du irrst dich! Ich habe kein zweites Ich! Ich bin Ich! Mich gibt’s nur einmal!“
Anderson war überrascht über Emilys hartnäckigem Widerstand. Er dachte er hätte ihren Willen längst gebrochen.
Er entgegnete wütend: „Denk, was du willst, aber du wirst schon sehen dass ich Recht habe!“
Emily erwiderte trotzig: „Nein! Das ist nicht wahr! Das ist eine Lüge und das weißt du!“
Andersons Stimme verstummte. Sie waren wieder allein und tief in ihren Gedanken versunken. Nein! Sie waren nicht allein. Sie waren in Dr. Andersons Zoo. In feindlicher Umgebung. Sie mussten sich zusammenreißen, sonst waren sie beide erledigt.
Kapitel 28
- Im Land der Raptoren
Beklommen schlichen sie weiter. Hinter ihnen hörten sie ein Rascheln. Emily berührte Eve an der Schulter. Eve zuckte zusammen, drehte sich um und fragte: „Was ist?“ Emily flüsterte: „Raptoren! Wir werden gejagt!“ Eve flüsterte: „Wo sind sie?“ Emily entgegnete leise: „Vier sind hinter uns und zwei direkt vor uns. Wir laufen in eine Falle. Wir müssen da entlang.“ Sie zogen sich vorsichtig in den Schutz einiger Felsen und Bäume zurück. Mit den Felsen im Rücken und der Pumpgun im Anschlag erwarteten sie den Angriff der Raptoren. Mit schnatternden, rasselnden Geräuschen näherten sie sich. Sie schnaubten und die Luft zischte, wenn sie sie durch ihre Nüstern bliesen. Eve konnte sie bereits sehen, aber sie waren noch außer Schussweite. Die Pumpgun entfaltete ihre verheerende Wirkung nur auf kurze Distanz. Auf mittlere oder große Entfernung, war sie nutzlos. Eve musste noch abwarten. Emily berührte sie und deutete nach oben. Eve spürte es auch. Einer der Raptoren kroch über die Felsen und schlich sich von oben an, um ihnen in den Rücken zu fallen. Eve wartete bis er direkt über ihr war und schoss ihm in den Hals. Tödlich verletzt stürzte der Raptor vor ihnen zu Boden. Sein Todeskampf dauerte nur kurz. Er zuckte unkontrolliert und blieb schließlich regungslos liegen. Jetzt stürmten drei weitere durch das Dicklicht direkt auf sie zu. Sie waren schnell! Eve stellte sich hinter einen Baum, ließ sie näher kommen und gab drei Schüsse in Folge ab. Eines der Tiere brach tot zusammen. Die beiden anderen waren nur leicht verletzt. Sie griffen weiter an. Dem nächsten Raptor schoss Eve in den Bauch. Er wälzte sich schwer verletzt am Boden, brüllte und schlug wild mit den Schwanz um sich. Der dritte Raptor setzte zum Sprung an. Eve wich aus und er prallte gegen die Felsen. Er stürzte, tobte und kam wieder auf die Beine. Eve verpasste ihm eine volle Ladung direkt ins Maul. Er brach tot zusammen. Auch der andere, verletzte Raptor war in der Zwischenzeit verendet. Vier Raptoren waren tot. Das hieß, zwei waren noch übrig und die Pumpgun war leer. Eve konnte sie bestenfalls noch als Keule benutzen. Schlechte Karten gegen zwei ausgewachsene Raptoren. Einer befand sich in etwa 50 Meter Entfernung. Er stieß klagende Laute aus und rief nach weiteren Artgenossen. Aber wo war der Andere? Eve flüsterte: „Komm, wir müssen hier weg!“ Plötzlich rief Emily: „Achtung! Hinter dir!“ Eve wich gerade noch rechtzeitig aus. Der Raptor hatte ihnen hinter den Felsen aufgelauert, Eve verfehlt und sprang gegen einen Baum. Wütend fuhr er herum und schnappte nach Eve. Eve holte mit der Pumpgun aus und schlug ihm mit voller Wucht den Knauf der Waffe auf den Schädel. Der Raptor taumelte und stieß ein unmenschliches Brüllen aus. Eve schlug nochmal zu und der Raptor stürzte benommen zu Boden. Darauf hatte Emily nur gewartet. Sie bückte sich, berührte den Kopf des Raptors und konzentrierte sich auf seinen Geist. Der Raptor riss wütend die Augen auf und schnappte nach Emily. Im letzten Moment riss Eve sie zurück und schimpfte: „Bist du verrückt? Was hast du dir nur dabei gedacht?“ Emily wehrte Eve ab und sagte: „Lass mich!“ Sie fixierte den am Boden liegenden Raptor, der offenbar nicht in der Lage war aufzustehen. Sie konzentrierte sich auf seinen Geist. Dann grinste Emily. Der Raptor kam torkelnd wieder auf die Beine, stieß gegen einen Baum und lief orientierungslos und schwankend einige Schritte hin und her. Eve schob Emily hinter sich und hielt den Lauf der Pumpgun fest umklammert, jederzeit bereit wieder zuzuschlagen. Emily verkündete stolz: „Keine Angst, lass ihn, er hat jetzt ein anderes Ziel.“ Der Raptor gab rasselnde Laute von sich und schnaubte zischend durch seine Nüstern. Jetzt hatte er sich wieder erholt und rannte direkt auf seinen Artgenossen zu. Die beiden Echsen verbissen sich ineinander. Es war ein Kampf auf Leben und Tod. Eve schüttelte den Kopf und sagte verblüfft zu Emily: „Du überraschst mich immer wieder!“ Emily zuckte mit den Schultern und sagte grinsend: „Ich weiß!“. Sie entfernten sich schnell von den beiden kämpfenden Echsen. Sie wollten möglichst weit weg sein, bevor die anderen Raptoren hier eintrafen.
Kapitel 29
- Victor schlägt zurück
Victor hatte das Computerzentrum erreicht und verließ den Lüftungsschacht. Adams fuhr herum und fragte erschrocken: „Sie sind kein Techniker! Wer sind Sie? Wo kommen Sie her?“
Victor entgegnete gereizt: „Ich stelle hier die Fragen! Wo ist er?“
Der Wachmann war geschockt. Er fragte: „Wen meinen Sie?“
Victor schrie: „Johnson! Wo ist er? Reden Sie schon!“
Adams entgegnete entsetzt: „Sie! Sie sind der Hacker! Nicht Johnson!“
Victor erwiderte drohend: „Ich wiederhole mich nur ungern. Wo ist Johnson?“
Adams stammelte: „Ich … ich habe ihn betäubt. Er befindet sich in Arrest. Ich wusste ja nicht …“
Victor schrie zornig: „Falsche Antwort!“ Er schoss ihm die Stirn. Tödlich getroffen brach Adams zusammen. Victor ging wütend zu Carmens Konsole und schaltete seinen Zugriff wieder frei. Danach löschte er alle Backups und aktivierte wieder seine Überwachungskameras. Allmählich regte er sich ab und grinste zufrieden. Jetzt hatte er alles wieder unter seiner Kontrolle. Um Johnson würde er sich später kümmern. Solange er betäubt war, konnte er ohnehin nichts verraten. Er machte sich wieder auf den Weg zu seinem Kontrollraum.
Kapitel 30
- Die Doppelgängerin
Eve und Emily kämpften sich durch Andersons künstlichen Dschungel. Eve keuchte: „Es ist hoffnungslos. Hier kommen wir nie raus. Irgendwann werden uns diese Biester erwischen und dann sind wir erledigt.“
Emily fasste sie an der Hand und schaute sie traurig an.
Eve sagte: „Entschuldige Kleines, aber ich sehe einfach keinen Ausweg mehr. Der Comlink funktioniert nicht. Ich kann Bill nicht erreichen. Anscheinend ist diese Ebene elektronisch abgeschirmt. Wir sind hier unten gefangen und auf Andersons Gnade angewiesen.
Plötzlich schloss Emily die Augen und deutete nach links. „Da vorne ist irgendetwas. Ein Mensch! Er hat Angst und schreckliche Schmerzen!“
Eve fragte: „Ein Mensch? Hier? Ist das vielleicht jemand aus Jacksons Team? Kannst du noch weitere Überlebende ausmachen?“
Emily konzentrierte sich: „Nein, er ist allein. Es ist Jackson und er hat furchtbare Angst. Angst vor dir!“ Entsetzt starrte Emily Eve an und wich vor ihr zurück: „Du hast ihn so zugerichtet!“
Eve erschrak zutiefst: „Emily, nein, bitte sieh mich nicht so an. Ich habe ihm bestimmt nichts getan. Ich war doch die ganze Zeit bei dir.“
Emily war verunsichert: „Du hast recht, aber seine Gedanken sind so realistisch. Ich verstehe das nicht!“
Eve entgegnete: „Komm mit, wir müssen ihm helfen. Er kann uns sicher erklären, was geschehen ist.“
Emily antwortete: „Warte! Da ist noch etwas! Eine gefährliche Kreatur befindet sich in seiner Nähe. Sie scheint menschlich zu sein, ist aber so aggressiv wie ein Raubtier. Sie belauert ihn.“
Eve hatte genug gehört. Sie wollte den Mann unbedingt retten und spurtete los.
Emily rief: „Eve, warte auf mich, ich bin nicht so schnell wie du.“ Sie rannte hinter Eve her. Zweige und Sträucher schlugen ihr ins Gesicht.
Eve erreichte die Lichtung als Erste. Sie stand vor einer von Moos und Schlingpflanzen überwucherten Felswand mit einer künstlichen Höhle. Vor dem Eingang lag Jackson. Seine Kleidung war zerfetzt. Sein Gesicht und sein Körper waren voller Blut und von tiefen Kratzspuren gezeichnet. Eve bückte sich und wollte ihm helfen aber er schrie: „Nein! Nicht du! Geh weg! Lass mich in Ruhe!“. Rückwärts in die Höhle kriechend versuchte er zu entkommen.“
Eve war bestürzt: „Was haben Sie? Ich will ihnen doch nur helfen!“
Er stöhnte: „Reicht es nicht, was du mir angetan hast? Willst du mich noch mehr quälen? Komm nur her! Ich habe keine Angst vor dir!“ Todesmutig zog er ein Kampfmesser aus seinem Stiefel und ballte seine Hände zu Fäusten.
Eve wusste nicht, was sie tun sollte. Jackson meinte es ernst, das konnte sie spüren, aber wenn sie ihm nicht half, würde er verbluten.
Atemlos erreichte Emily die Lichtung. Eine dunkle Gestalt packte sie brutal von hinten und hielt sie fest mit eisernem Griff.
Jackson stammelte entsetzt: „Euch gibt’s zweimal?“
Eve wirbelte herum und war fassungslos. Sie sah in ihr Ebenbild. Die gleiche Figur, das gleiche Gesicht, die gleichen roten Haare. Ihre Doppelgängerin trug einen engen, schwarzen Kunstlederanzug und halblange Handschuhe. Ihre Augen waren hinter einer tiefschwarzen Sonnenbrille verborgen. Sie sah zwar genauso aus wie Eve, war aber viel wilder und aggressiver als sie. Eine bösartige Aura schlug ihr entgegen.
Die Doppelgängerin grinste arrogant und sagte mit höhnischer Stimme: „Hallo Eve, das ist doch dein Name oder?“
Eve stammelte: „Ich… ich weiß nicht, wer ich bin. Wer bist du? Lass sofort Emily los!“
Die Kreatur zischte hochmütig: „Oh, vielleicht kann ich helfen. Ich bin deine Schwester Cora. Erkennst du mich nicht?“
Eve sagte mit fester Stimme: „Nein! Du lügst! Was weißt du über mich? Sag schon!“
Cora fuhr hämisch fort: „Lass mich überlegen. Du bist ein Klon, ein unvollkommenes Experiment, eine Missgeburt. Such es dir aus.“
Eve schrie verzweifelt: „Das ist nicht wahr. Ich bin ein Mensch! Ein Mensch, hörst du?“
Cora grinste herablassend: „Arme, kleine Eve. Du glaubst mir nicht? Frag doch Dr. Anderson. Er hat dich erschaffen, so wie er mich erschaffen hat. Ich bin nur viel besser, viel stärker und viel schneller als du. Du bist nur genetischer Abfall. Soll ich es dir beweisen?“
Emily wimmerte: „Eve! Hilfe! Sie würgt mich. Ich bekomme keine Luft.“
Die Kreatur stieß Emily von sich und zischte: „Um dich kümmere ich mich später, mein Täubchen.“
Cora setzte ihre Sonnenbrille ab und Eve erstarrte. Leuchtende grüne Katzenaugen blickten sie an. Cora spreizte ihre Hände, fuhr ihre Krallen aus und grinste höhnisch: So etwas hast du nicht zu bieten, nicht wahr? Komm nur her! Bringen wir es zu Ende!
Lauernd umkreisten sie sich. Eve schlug nach ihr, aber Cora wich geschmeidig aus und zerkratzte ihr die Schulter. Eve schrie auf und versuchte es mit einem Fußtritt. Cora ergriff ihr Bein und zog ihr mit einem Fußfeger das andere weg. Eve schlug hart mit dem Rücken auf, kam aber sofort wieder auf die Beine und sprang Cora an. Aber Cora war darauf vorbereitet. Sie rammte ihr das Knie in den Magen, packte sie an den Haaren und versetzte ihr einen derben Schlag ins Gesicht. Eve lag benommen am Boden, würgte und schnappte nach Luft. Alles drehte sich. Sie war hilflos den Tritten dieser Kreatur ausgeliefert.
Cora triumphierte: „Lächerlich! Ist das alles, was du drauf hast? Jetzt gebe ich dir den Rest!“
Emily schrie verzweifelt: „Lass meine Freundin in Ruhe!“ Sie konzentrierte sich. Eine unsichtbare Kraft wirbelte die Kreatur durch die Luft und schmetterte sie gegen die Wand.
Wütend kam Cora wieder auf die Beine und fauchte: „Du Miststück! Das hast du nicht umsonst getan!“
Sie rannte auf Emily zu und versetzte ihr eine schallende Ohrfeige. Sie fauchte Emily an: „Wenn Anderson dich nicht lebend wollte, wärst du jetzt tot!“.
Emily lag weinend am Boden und Eve kam taumelnd wieder auf die Beine.
Cora drehte sich um und sagte verächtlich: „Du bist erledigt! Sieh dich nur an. Ich hätte mehr von dir erwartet!“ Eve hatte keine Chance. Die Kreatur spielte mit ihr und trieb sie hilflos vor sich her. Krallenhiebe erwischten sie am Bauch, am Arm und an der Hüfte. Eve wich in den Schutz der Höhle zurück. Cora leckte sich genüsslich das Blut von den Krallen und stellte ihr nach. Sie zischte höhnisch: „Das nützt dir nichts! Katzen können auch im Dunkeln sehen. Schon vergessen?“ Sie fixierte Eve mit ihren leuchtenden, grünen Augen wie ein Raubtier. Eve stand mit dem Rücken zur Wand und starrte hilflos in ihr böses Ebenbild. Cora schmiegte ihren Körper an sie, leckte begierig das Blut von ihrer Wange und gab ihr teuflisch grinsend einen Kuss. Eve wandte sich angewidert ab, war aber zu schwach, sich zu wehren. Eve keuchte. Sie war am Ende ihrer Kräfte, während Cora noch frisch war. Cora lächelte boshaft, fuhr ihre Krallen aus und fauchte: „Zeit zum Sterben!“
Jackson hatte den Kampf der beiden mitverfolgt und sich für Eve entschieden. Mit letzter Kraft rappelte er sich auf und rammte Cora sein Messer in den Rücken. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie heulte auf, fuhr herum und versetzte Jackson einen tödlichen Schlag mit den Krallen. Schwer stürzte er zu Boden. Eve ergriff ihre Chance. Sie riss Cora das Messer aus dem Rücken und stach mehrfach zu. Cora starrte sie entsetzt an und rief: „Schwester! Nein!“. Blut quoll aus ihrem Mund. Ihr Blick wurde ausdruckslos. Sterbend brach sie zusammen. Eve taumelte zu Jackson, der ebenfalls im Sterben lag. Eve hatte Tränen in den Augen. Sie sagte: „Danke, sie haben mir das Leben gerettet.“ Jackson atmete schwer und sagte leise: „Tut mir leid, dass ich Sie für ein Monster gehalten habe.“ Eve fragte: „Wo sind Ihre Männer?“ Jackson hauchte: „Alle tot. Von den Raptoren zerfleischt. Stoppen Sie Anderson. Sorgen Sie dafür, dass unser Tod nicht umsonst war.“ Sein Kopf kippte zur Seite. Jackson war tot. Eve hielt seine reglose Hand und sagte leise: „Versprochen!“
Sie stand auf und wischte sich die Tränen aus den Augen. Eve wurde wütend. Sie würde
Anderson töten, das schwor sie sich. Aber irgendwie mussten sie aus diesem Zoo raus.
Plötzlich kam ihr ein rettender Gedanke. Abwegig zwar, aber es könnte funktionieren. In der
Höhle war es fast dunkel. Mit etwas Glück hatte Anderson von Coras Tod noch nichts
bemerkt. Cora sah aus wie sie. Auch Jackson hatte sie mit ihr verwechselt. Cora sollte sie
töten und Emily zurückbringen. Wenn sie Anderson täuschen konnte, würde er sie beide aus
seinem Zoo herauslassen und das würde sein Todesurteil sein.
Sie lief zu der toten Cora, entkleidete sie und zog ihren Lederanzug an. Die halblangen Handschuhe gefielen ihr und die Sonnenbrille würde ihre Augen vor Anderson verbergen. Connors C-Serum war ein voller Erfolg. Obwohl Cora tot war, schlossen sich ihre Wunden. Auch Eves Wunden waren schon fast wieder verheilt. Sie untersuchte Coras Körper. Es war wirklich unglaublich. Cora hatte sogar die gleichen Muttermale wie sie. Sie unterschieden sich nur durch die Krallen und die katzenartigen Augen. Hatte Cora Recht? Waren sie beide Klone? Würde sie mutieren und genauso enden wie Cora? Bösartig, aggressiv mit krallenbewehrten Händen? Oder war sie das, was Cora sagte eine unvollkommenes Experiment, eine Missgeburt, genetischer Abfall?
Anderson kannte die Antwort. Sie würde ihn zwingen ihr die Wahrheit zu sagen und erst danach würde sie ihn töten. Er hatte den Tod mehr als verdient! Aber zunächst brauchte sie einen Beweis um Anderson zu täuschen. Sie schloss Coras Augen, ergriff ihre tote Klaue und zerkratzte damit Coras Gesicht. Dann nahm sie Jacksons Kampfmesser und trennte Cora mit einem wuchtigen Schlag den Kopf ab. Draußen vor der Höhle stand die total verängstigte Emily und war entsetzt über Eves Gedanken, aber sie verstand was Eve vorhatte und wusste, dass das ihre einzige Chance war, diesen Zoo lebend zu verlassen.
Eve sagte leise: „Komm rein, schieß deine Augen und sieh dich nicht um.“ Emily betrat die Höhle und Eve drückte sie an sich. Sie wollte ihr diesen grausigen Anblick ersparen.
Wie sollte sie Emily nur erklären, was sie vorhatte? Aber Emily kam ihr zuvor und sagte tapfer: „Ich weiß genau was du vorhast. Ich stelle mich bewusstlos um Anderson zu täuschen. Es ist unsere einzige Chance. Ich vertraue dir.“
Eve drückte sie fest ans sich und sagte: „Danke, Kleines.“
Eve setzte die Sonnenbrille auf, legte Emily über ihre Schulter, packte Coras abgetrennten Kopf an den Haaren und trat aus der Höhle. Sie machte ein böses Gesicht, fletschte die Zähne, hielt Coras Kopf oben und rief: „Anderson! Sieh her! Eve ist erledigt! Ich habe Emily! Lass mich hier raus!“
Aus einem Lautsprecher ertönte Andersons Stimme: „Das hast du gut gemacht. Geh in die Höhle. Ich öffne die Tür. Komm mit dem Fahrstuhl nach oben.“
Eve betrat die Höhle. Sie legte Coras Kopf neben ihren toten Körper und dachte: „Arme Cora!“. Es war nicht ihre Schuld. Anderson hatte sie zum Monster gemacht. Sie empfand Mitleid mit ihr.
Die Felswand glitt zur Seite und gab den Weg in einen langen Flur frei. Am Ende des Ganges war der Lastenaufzug. Die Türen waren geöffnet. Eve trug Emily auf den Armen und ging langsam auf den Fahrstuhl zu. Sie dachte an Jackson und all die anderen Opfer, die Anderson auf dem Gewissen hatte und kochte vor Wut.
Sie betrat den Lastenaufzug und die Türen schlossen sich. Die Fahrt ging nach oben.